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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Dieser Dunst, von dem man sich Schutz vor der Sonne erhofft hätte, schloss die Hitze ein, so dass der Rauch kleiner Buschfeuer in der Luft hing, purpurroter Ölschlick und der tiefblaue Smog von Bürochemikalien. Die dicke Luft sprudelte vor spontanen chemischen Reaktionen, und die verbliebenen Bürger der Stadt wirkten erschöpft und verloren. Ein paar der aktiveren Männer krochen unter dem Schutt hervor und boten mir russische Zigaretten für zehn Dollar die Packung an. »Ich rauche nicht«, wies ich sie sanft zurück.
    Der Rest der Bevölkerung war zu müde, um auf mich zu schießen oder eine so massige Erscheinung in ihrer Mitte auch nur wahrzunehmen. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Svanïstadt folgte niemandmit neidischen Blicken meinem Bauch, gratulierte mir niemand still zu meinem Glück. So schritt ich friedlich voran und überquerte bald die Uferpromenade, deren grasbedeckter Mittelstreifen aussah wie die Illustration eines dringenden Rot-Kreuz-Hilfsaufrufes. Zelte aus den blauen Planen des UN -Flüchtlingskommissariats bedeckten hektarweise die frühere Flaniermeile; Mann und Maus und Esel hatten das ergraute Gras und die kränklichen Palmen abgefressen; die türkischen Autoskooterwagen lagen bis aufs Chassis ausgeschlachtet, ihr primitives mechanisches Innenleben offen gelegt.
    Besorgt sah ich mich um. Als ich Yulia und ihre perfide Mutter nirgendwo entdecken konnte, setzte ich meinen Weg beruhigt fort, über die Mole hin zur rosa Muschel der »Dame mit dem Hündchen«. Herr Nanabragov und Parka Gylle nahmen ihr Mittagsmahl unter dem ausgeblichenen DORSCH -Plakat ein, das über seinem drohenden Slogan ihre Gesichter zeigte: DIE UNABHÄNGIGKEIT DES VOLKES IST BALD WIRKLICHKEIT ! Für den Augenblick wirkten die beiden Freunde noch gesättigter als ihre strahlenden Konterfeis darüber. Herr Nanabragov spießte mit der einen Gabel hochkonzentriert ein Störkebab auf und schwenkte mit der anderen eine grüne Peperoni, während der Dramatiker sein Kinn in ein Himbeerkompott tauchte, die verschatteten Augen halb geschlossen. Männer in schwarzen T-Shirts, aus deren Bizepsmuskeln blau die Adern hervortraten und deren Hände von sowjetischen Gefängnistätowierungen überzogen waren, umgaben sie. An der Mole dümpelte ein Rennboot, aus dem genug Zigarettenkartons entladen wurden, um auch noch den Rest der Bevölkerung umzubringen.
    Mit einem Zucken ließ Herr Nanabragov seine Peperoni fallen, kam zu mir herübergelaufen und küsste mich dreimal auf die Wangen. Ein neuer maritimer Geruch ging von ihm aus – Seeigel, Seetang, Seesalz –, und seine kräftige südländische Nase pikste mich an all meinen empfindlichen Stellen. »Mein Lieber, mein Lieber«, schrie er. »Du hast mit meiner Nana gesprochen. Und du bist mir nicht böse, dass du nicht bei uns wohnen kannst? Die Familie hat Vorrang, das verstehst du doch? Wenn ich zu Hause mehr Platz hätte, ja dann – oder wenn du endlich unsere Nana heiraten würdest, hmm?«
    »Ich würde sie schon heiraten, nur damit ich aus dem Intourist wegkomme«, scherzte ich.
    »Wirklich?«, sagte Herr Nanabragov ernst. »Wir könnten eine kleine private Feier arrangieren. Natürlich sind die politischen Umstände nicht gerade ideal. Aber wir haben uns neu aufgestellt, wie du siehst.« Er zeigte auf die Verbrecher, die rund um die semikomatöse Gestalt von Parka Gylle auf Zahnstochern herumkauten. »Der boomende Zigarettenhandel füllt uns die DORSCH -Kassen auf.«
    »Möchten Sie kaufen?«, fragte mich ein seemännischer junger Schlägertyp und schwenkte eine Stange von etwas, das »Business Class Elite« hieß und das Logo eines abstürzenden Aeroflot-Flugzeugs trug. »80 Dollar.«
    »Das ist mein zukünftiger Schwiegersohn«, protestierte Herr Nanabragov. »Gib sie ihm für 40.«
    »Ich rauche nicht«, sagte ich.
    »Och«, seufzten Nanabragov und sein neuer Freund.
    »Wie läuft’s beim DORSCH ?«, fragte ich. »Schon das Interesse der Medien geweckt?«
    »Es ist immer noch sehr schwer, der Welt unsere Message zu vermitteln«, sagte Herr Nanabragov. »Vor den Russen können wir uns natürlich gar nicht retten. Sieh dir das an!« Er schnappte sich eine beliebte russische Zeitung aus Parka Gylles Schoß,
Argumente und Fakten
, eine Woche alt. Neben einem Foto von Putin, der missmutig auf sein vor ihm kauerndes Kabinett blickte, entdeckte ich die grobkörnigen Abbilder dreier ukrainischer Söldner und des ehemaligen KGB -Agenten Wolodja, die von der Dachterrasse des Hyatt

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