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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Five«) und Faust-Zusammenstoßen sahen Josh Weiner und ich uns kaum an. Wir vergaßen sogar, uns beim Abschied gegenseitig mit den gespielten Zeigefingerpistolen abzuknallen, undenkbarfür einen graduierten Multikulti und ein ehemaliges Mitglied des
Ghetto Fabulous House
. Ein Tag der Schande für das Zufallscollege.
    »Bleiben Sie dicht hinter mir«, wies Trotl mich an, als mein Ex-Kommilitone weg war. »Ich habe Ihren Diener im Schuppen hinter dem Pool aufgeweckt. Monsieur Lefèvre wartet am Lieferanteneingang des McDonald’s auf dem Svanï-Plateau auf uns.«
    »Wo ist das denn?«, fragte ich, aber Trotl war schon Richtung Wandelhalle abgezogen.

17
    König Leopolds Belgisch-Kongo
     
    Wir waren vom Boulevard der Nationalen Einheit mit seinen multinationalen Hochhäusern und Ladenketten abgebogen und auf einen weiten, natürlichen Felsvorsprung über der Stadt gelangt. Strahlend vor Stolz, hatte Trotl der Demokrat mir wie ein echter besserwisserischer Intellektueller befohlen, auszusteigen und mit ihm einen Blick in die Landschaft zu werfen. Als wir aus dem amerikanischen Geländewagen mit dem Logo des Hyatt kletterten, lief Timofej herbei und spannte über meiner massigen Gestalt ein kleines Sonnenschirmchen auf, so dass ich aussah wie ein eben am Flughafen eingetroffener afrikanischer Diktator. Das Schirmchen half nicht. In Schichten aus Wasser und Dampf fiel der Schweiß von mir ab, bis ich wie ein Hamburger roch.
    Wir blickten über die Stadt. »Ach, Mr Vainberg!«, sagte Trotl. »Haben Sie je solche Herrlichkeit gesehen? Vielleicht reicht es nicht an Ihre Heimatstadt Petersburg heran, oder, da Sie Jude sind, an Ihr geliebtes Jerusalem, aber dennoch – die Hügel, das Meer, das über die Jahrhunderte gewachsene architektonische Ensemble … Lässt Ihnen all dies nicht das Herz erzittern?«
    Ließ es ganz und gar nicht. Die absurdische Hauptstadt sah aus wie ein Spielzeug-Kairo nach einer Bruchlandung an einem steinigen Berghang. Drei dicht bebaute Plateaus ragten daraus hervor, auf kleinen, von einer Serpentinenstraße verbundenen Serviertabletts klammerte sich die Menschheit an den unwirtlichen Fels. Das »Plateau International« ganz oben beherbergte die multinationalen Wolkenkratzer, die Botschaften und die wichtigsten Ladenketten (zum Beispiel Staples,Hugo Boss, die Parfümerie 718, Ferragamo und den Toys-“R”-Us-Mega-store). Ein Stockwerk tiefer protzte das Svanï-Plateau, Heimstatt der svanïschen Bevölkerungsmehrheit, mit seinem berühmten Großmarkt für gebrauchte Fernbedienungen und dem mit Minaretten besetzten, von einem alten Schutzwall umgebenen muslimischen Viertel. »Ich wusste, dass es hier Muslime gibt!«, rief ich Trotl zu. »Im Orient leben Muslime. Das ist einfach so.« Das Sevo-Plateau schließlich, das traditionell die sevische Minderheit beherbergte, bestand aus den Jugendstilvillen für die Ölmagnaten der Gründerzeit, angeordnet auf einem genauen Raster um den, wie ich später erfahren sollte, Vatikan der Sevo – »Ooooh, da, das sieht ja aus wie eine Krake!«, rief ich Trotl zu. Rund um eine riesige weiße Kuppel ragten acht Stützbögen in alle Himmelsrichtungen, und zumindest für mich sah das Ganze aus wie ein bleiches, an den Strand gespültes Meerestier mit seinen Tentakeln. Oben auf dem Oktopus erstrahlte ein sechs Meter hohes Sevo-Kreuz, dessen Fußstütze sich in die falsche Richtung neigte.
    Neben dem Vatikan der Sevo lief eine Esplanade auf einen kleinen Containerhafen zu, und dann sah man schon, womit hier eigentlich Geld verdient wurde. Spätestens jetzt war klar, dass die Stadt nicht mehr als eine Fußnote dessen darstellte, was diese Sevos und Svanïs zunächst zu einer Sowjetrepublik zusammengezwungen hatte und dann zu einem zänkischen modernen Staatswesen.
Absurdistan war das Kaspische Meer, und das Kaspische Meer war das Öl, das es so überreich bereithielt.
Direkt hinter den Ausläufern der menschlichen Siedlungen schossen die Ölbohrtürme hervor. Das Öl gab der Stadt auch nicht die kleinste Ruhepause; es erlaubte den Bewohnern nicht einmal, ins Wasser zu sehen und ihr eigenes Spiegelbild zu entdecken. Die mickrigen Bohrtürme sowjetischer Bauart, billige gelbe Rostklumpen in der verdreckten See, machten rasch gigantischen westlichen Ölförderplattformen Platz, von deren dreißigstöckigen Aufbauten die Warnlampen blinkten und deren schwimmende Masse eine zweite Skyline bildete und den Wolkenkratzern auf dem »Plateau International« Konkurrenz machte.

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