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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Auf drei abfallenden Plateaus neigte Svanïstadt sich dem Meer zu, und das Meer wies es mit öligem Wellenschlag ab.
    »Lassen Sie sich nicht von der Ölindustrie ablenken«, sagte Trotl,der meinem Blick gefolgt war. »Sehen Sie sich die Stadt an. Versuchen Sie, sich das Meer ohne Öl vorzustellen und die stolze Stadt darüber.«
    Von den Ölförderanlagen ließ ich den Blick auf die Sevo- und Svanï-Plateaus unter mir schweifen. Ich summte John Lennons hilfreiche Weise »
Imagine
«. Mit all meiner Imaginationskraft flog ich in einem Hubschrauber über die Stadt, sog den Anblick ihrer vielen architektonischen Schätze und ihrer pittoresken Naturschönheiten in mich auf, aber der Helikopter flog immer weiter nach Nordwesten, bis er die Südspitze Manhattans erreicht hatte und seinen Helikopterschatten auf die Asphaltschluchten von Downtown und Midtown fallen ließ, um dann die Giebel und Kuppeln des Dakota am Central Park zu streifen, wo Mr Lennon einst gelebt hatte und gestorben war.
    Und dann saß ich in einem Pendlerzug Richtung East Tremont Avenue in der Bronx. Es war Winter, die Heizung wummerte, und unter dem mit Kaninchenfell abgesetzten Kragen meines Mantels spürte ich, wie sich in der zweiten und dritten Speckfalte meines Nackens, einer Art Sieb aus Fleisch, der Schweiß sammelte. Ich spürte, wie das kühle Nass mir auf das Brustbein rann und das gelockte Schamhaar in meinem Schoß benetzte. Mir war heiß und kalt, ich war bang verliebt. In den Zügen in die äußeren Randbezirke New Yorks waren die Menschen ausladender als die Weißen, die in Downtown herumlümmelten. Meine Fettgenossen waren stoisch, multikulti und trugen Daunenjacken, die sich bauschten, als könnten sie einen Astronauten im Weltall vor dem Erstickungstod retten. Sie stützten sich an den Türen ab, während sie mit den Zähnen Hühnerbeine und gebratene Ochsenschwänze zerlegten und Knochen und Knorpel in die bereitgehaltenen Plastiktüten spuckten. Wer waren diese Atlasse der Amsterdam Avenue? Diese Caligulas vom Cypress Hill? Wäre ich nicht so zimperlich um meine sauberen Hände besorgt gewesen, wie gerne hätte ich hier im müden, hellen Dunst der Zuglinie 5 ein kleines, in Plastik gewickeltes Säugetier mit ihnen verspeist.
    Und die Mädchen! Ach, wie sie mich aus der Fassung brachten. Alle hatten sie ein klein wenig von meiner Rouenna – Luxusnasen, eine Augenbraue mit Gangsta-Rasur, volle Unterlippen, begraben unter bergeweise Lipgloss – und so kreischten und lachten sie mit ihren Schulfreundinnenin jenem Jargon der Bronx, den ich eben erst zu verstehen lernte. Es war Februar, und bestimmt trugen die jungen Damen dicke Daunenjacken, aber auf ihre irgendwie warme südländische Art gelang es ihnen, gleichzeitig halb nackt zu sein und mir das Schambein entgegenzurecken und das Ypsilon über ihren tief sitzenden Arschfalten. Und ab und an erfüllte sich mir mein größter Traum und ich erhaschte einen Blick in eine dicke, fleischige Achselhöhle und erspähte mit zusammengekniffenen Augen den Schatten des abrasierten gekräuselten Haars, das Phantom des einstmals dichten Büschels, denn für Menschen wie mich steht Achselhaar für entfesselte Sexualität.
    An der Haltestelle Third Avenue/149. Straße konnte ich schon die Wintersonne sehen, die leichthändig ihre Strahlen die Treppen zum Bahnsteig hinuntergleiten ließ. Eine Sekunde später waren wir frei, mitten in der Bronx, und der U-Bahn-Waggon wurde von so grellem Licht überflutet, als wäre eine zweite Sonne dienstverpflichtet worden.
    Ich bestaunte die rechteckigen Schornsteine, über denen die Wassertanks hingen wie i-Tüpfelchen; die großen Wohnblöcke, die feste Konsonanten bildeten (große L und T); die komischen Reihenhäuser im Tudorstil, die aus einem stillen britischen Vorort eingewandert sein mussten; den neugotischen Turm in der Ferne, der für generations-übergreifendes Scheitern des staatlichen Bildungssystems stand; den scharfen, eigenwilligen Geruch nach Kirschbubblegum und billigem Shampoo; den alten, unter Sonnenbrille und Kopfhörern versteckten Mann, der an der Freeman Street eingestiegen war und (vor allem) zum eigenen Vergnügen sang:
»Ain’t no use/Cain’t help myself«
; die muslimischen Mädchen in ihren schreiend gelben Röcken und unpassend grauen Kopftüchern, die hinter der Schaffnerkabine Schutz suchten; das Leben der Tausenden, deren Wohnungen auf Augenhöhe mit den Hochbahnschienen lagen wie auf einem aktualisierten

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