Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
Vom Netzwerk:
besoffen und high, mehr noch als ich, und seine ganze rotgesichtige, ziegenbärtige Erscheinung stießen mich ab. Neben Girshkin stand Jerry Shteynfarb, der Romancier in spe, unter einem salvadorianischen Hippie-Poncho mit einem »Peace«-Button an der Brust.
    Am Fenster schlug ein monströser, mannsgroßer Ventilator mit den Flügeln und frischte die erstickende Wohnheimheizungsluft künstlich auf. Aus dem Ventilator schossen kleine Papier- und Pappfetzen hervor und flogen herum wie der Kartoffelsalat, den ich auf dem Picknick des Fachbereichs für Frauenstudien nie in den Mund bekam. Aljoscha-Bob, nackt bis auf ein paar Boxershorts, schob ein dickes Buch in den riesigen Ventilator, dessen Überreste aus dem Fenster in den schneebedeckten Hof flogen.
    »Stirb, Pasternak!«, schrie er.
    »He, Bob«, sagte Jerry Shteynfarb beiläufig, »was soll ich mit dem Küchengrill machen?«
    »Fliegt auch raus!«, rief Aljoscha-Bob. »Was soll ich noch damit? Ich werde nie wieder was essen. He, guckt mal, Jungs. Die doofe
Ada
. Nimm das, Nabokov! Du Schlaftablette!«
    »Gib’s ihm«, sagte Shteynfarb und schmiss mit seinen schwachen Literatenarmen übergangslos den Küchengrill aus dem Fenster.
    »Hallo, Leute«, sagte ich. Ich putzte mir die Nase am Mantelärmel ab. »Hallo. Warum werft ihr denn alles aus dem Fenster?«
    »Feil
aaaaales
«, sagte Shteynfarb, der meinen Akzent nachahmte, »raus muss.
Darrum.
«
    »Wir haben jeder drei Trips eingeworfen«, erklärte Vladimir Girshkin, dessen Augen leer und dunkel hinter seiner omamäßigen Hornbrille leuchteten. »Und jetzt entledigt Bob sich all seiner irdischen Güter.«
    »Oh«, sagte ich. »Vielleicht ist er ein Buddhist.«
    »Oh«, sagte Shteynfarb. »Vielleicht auch nicht. Vielleicht will er nur mal ordentlich auf die Kacke hauen. Musst du immer alles einordnen, Mischa?«
    Aljoscha-Bob hatte mir seine erweiterten Pupillen zugewandt und hielt mir seinen dürren roten Zeigefinger entgegen. »Du bist Snack Daddy«, rief er mich bei dem Spitznamen, den ich mir durch meine Heldentaten im Speisesaal erworben hatte. Ehrfürchtig stand ich vor seiner halb nackten Pracht, seiner Erscheinung, die noch immer klar und vernünftig wirkte, während er die Vernichtung all der schönen Dinge überwachte, die seine Eltern ihm gekauft haben mussten. Hier stand eine neue Art von Jude vor mir, ein Superjude, der sich von allem Weltlichen losgesagt hatte.
    »Du bist der komische Bob«, sagte ich. »Ich hab dich vor der Bibliothek für Elitestudenten gesehen.«
    »Ich weiß, wer du bist«, sagte Aljoscha-Bob. »Du bist der Sohn dieses
refuseniks
Boris Vainberg. Du bist der Hammer. Du hast Geschichte gemacht.«
    Was mir da zugeschrieben wurde, ließ mich lächeln. »Nein, ich bin nicht so bedeutend, wie du denkst«, sagte ich. »Ich bin bloß …« – Ich hielt inne und suchte nach Worten. »Ich bin bloß … Ich bin bloß …«
    »Hast du nicht gehört, er ist bloß«, sagte Vladimir Girshkin.
    »Mischa der Bloße«, sagte Jerry Shteynfarb.
    »Snack Daddy der Große«, fiel Girshkin ein.
    Traurig sah ich meine Landsleute an. Drei Russen aus Leningrad. Im Kampf um die Aufmerksamkeit eines einsamen amerikanischen Juden. Warum konnten wir nicht besser miteinander umgehen? Warum konnten wir unsere Isolation nicht gemeinsam überwinden? Einmal hatte ich Girshkin und Shteynfarb etwas selbst gemachten Rote-Bete-Salatund echtes Schwarzbrot aus der litauischen Bäckerei an der Ecke angeboten, aber sie hatten mich für meine nostalgischen Anwandlungen einfach ausgelacht.
    »Ich bin bloß ein Geschichtsstudent«, erklärte ich Aljoscha-Bob.
    »Sag mal, Bob, was soll ich denn hiermit machen?«, fragte Vladimir Girshkin, das gerahmte Foto eines süßen kleinen Aljoscha-Bob mit hübschen Grübchen vor seiner unfassbar schönen Mutter, einer assyrischen Prinzessin mit Goldreifen an den Ohren und einer mit Essstäbchen hoch gesteckten Haarmähne, und seinem Vater, einem Ostküsten-Professor, der in seinem übergroßen Kordanzug verschwand. Später würde ich meine Sommer auf dem Bauernhof der Familie Lipshitz nördlich von New York verbringen, wo sie ihr erstaunlich einträgliches Geschäft »LandPartie« führten. Ihre Kundschaft waren wohlhabende Paare aus Boston oder New York, die sich auf ihrem Anwesen trauen ließen. Während der Feier gesellten sich dann die Einheimischen zu ihnen und lieferten das Bukolische – beredte arme schwarze und weiße Familien, die so taten, als wären sie schon lange mit

Weitere Kostenlose Bücher