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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Braut oder Bräutigam befreundet und in ihrem ansprechenden Bebop-Dialekt über Missernten und den Niedergang der Schwerindustrie redeten. In meinen Sommern bei der Familie Lipshitz erfuhr ich viel über den traurigen Zustand des amerikanischen Familienlebens, besonders über den Einsatz des Schweigens als Instrument der Bestrafung.
    »Du zerhaust das Glas«, sagte Aljoscha-Bob, »dann schredderst du das Bild im Ventilator und wirfst den Rahmen aus dem Fenster.«
    »Aye, aye, Herr Kapitän«, sagte Vladimir Girshkin. Er griff sich einen Briefbeschwerer in Gestalt der Kathedrale des Basilius, der friedlich auf Aljoscha-Bobs zugemülltem Schreibtisch geruht hatte, und haute das Familienbild kaputt, wobei der Riesenventilator die Splittergeräusche übertönte.
    »Soll ich deine Klamotten zerreißen, bevor ich sie wegwerfe?«, fragte Jerry Shteynfarb, der einen großen Haufen Oberbekleidung durchging.
    »Reich mir mal meinen Mantel«, sagte Aljoscha-Bob.
    Er zog ein Paar weite Jeans und einen Kapuzenpullover an, eine frühe Evokation des Gangsta-Rap-Phänomens, das eben erst über South Central L. A. hinauswuchs, während Shteynfarb ihn abfällig und herablassendansah. Wahrscheinlich hatte Shteynfarb überhaupt kein LSD genommen; vielleicht war er nur gekommen, um Aljoscha-Bob zu beobachten und Material für seine uncoolen Kurzgeschichten über die Unterschiede zwischen Russen und Amerikanern zu sammeln. »Deinen Mantel?«, sagte Shteynfarb. »Wozu das denn?«
    »Mischa und ich gehen spazieren.«
    »Aber wir wollten doch deine ganzen Sachen wegwerfen!«, rief Girshkin. »Hast du uns versprochen.«
    »Macht ohne mich weiter, Jungs«, sagte Aljoscha-Bob. »Wir sind vor Sonnenaufgang wieder da. Und dann können wir alle ins ›Pen and Pencil‹ frühstücken gehen. Wie wär’s?«
    Ehe die enttäuschten Russen noch antworten konnten, hatte Aljoscha-Bob mich hinaus auf den Hof geführt, inzwischen übersät von haufenweise geschredderten Büchern und zerschlagenen Schallplatten, collagenförmig angeordnet um die verdrehten Formen seines Rudergeräts und der dunklen Überreste seiner Stereoanlage. Girshkin und Shteynfarb befolgten noch immer ihre Befehle und warfen das zertrümmerte Gehäuse eines Apple-Macintosh-Computers und einen liebevoll aufgeschlitzten Knautschsessel hinunter.
    Im Gleichschritt stapften Aljoscha-Bob und ich durch den Schnee, ohne bestimmte Richtung, und warfen einander gelegentlich verstohlene glückliche Blicke zu. »Komischer Robert«, sagte ich. »Darf ich wohl fragen, warum du dich deiner ganzen Habe entledigst? Bist du denn wirklich ein Buddhist?«
    »Ich bin überhaupt nichts«, sagte er schwer atmend in der Kälte. »Aber ich möchte sein wie ein Russe. Wie ein echter Russe. Nicht so wie Shteynfarb oder Girshkin.«
    Das unausgesprochene Kompliment ließ mich selig aufseufzen. »Aber echte Russen lieben all die Dinge, die du weggeworfen hast«, sagte ich. »Ich zum Beispiel bitte gerade meinen Vater, mir Geld zu schicken, damit ich mir einen Apple-Macintosh-Computer kaufen kann. Auch hätte ich gerne Bose-Lautsprecher und einen Harman-Kardon-Subwoofer.«
    »Du fährst echt auf diese Scheiße ab?«, fragte Aljoscha-Bob. Er blieb stehen und sah mich an. Im Licht der Winternacht konnte ich sein kaltesGesicht erkennen, leicht vernarbt von späten Windpocken, so dass seine Physiognomie der des Mondes entsprach, der über uns hing, des reichen industrialisierten Mondes.
    »Oh ja«, sagte ich.
    »Sehr interessant«, sagte er. »Ich hatte immer gedacht, in Russland sei das Leben eher spirituell ausgerichtet.«
    »Nun, es gibt auch Gläubige unter uns«, sagte ich. »Aber meistens wollen wir einfach Sachen haben.«
    »Oh«, sagte er. »Wow. Da haben Girshkin und Shteynfarb mich wohl echt falsch informiert.«
    Wir gingen weiter, und unter unseren Füßen verdichtete sich der Schnee in winzige abstrakte Denkmäler unserer wachsenden Freundschaft, die sich hinter den von Straßenlaternen beschienenen Signalfeuern unseres Atems anordneten. »Von nun an wollen wir Russisch sprechen«, sagte er. »Ich kann nur ein paar Worte.
Schto eto?
« Er deutete auf ein verzwirbeltes Insekt von einem Gebäude, aus dessen Schornstein es munter in die Nacht hinaus rauchte. Was war das?
    »Müllverbrennungsanlage«, sagte ich auf Russisch.
    »Hmm.« Mir fiel auf, dass seine Schnürsenkel offen waren, aber ich wollte nichts sagen, um die Heiligkeit des Augenblicks zu bewahren. Die Landschaft des verlassenen Campus lag vor uns

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