Snack Daddys Abenteuerliche Reise
in Genua der G8-Gipfel stattfand und sexy italienische Demonstranten die gewalttätigen Carabinieri mit Molotow-Cocktails bewarfen, was bei weitem fotogener war. Sogar die russischen Sender hatten beschlossen, eine Absurdistan-Pause einzulegen. Unten sah man die Korrespondenten der drei wichtigsten Regierungssender am Swimmingpool dösen, und schon um zehn Uhr morgens türmten sich vor ihnen die leeren türkischen Bierdosen auf. Auch sie wären lieber in Genua gewesen, mit den Delfinen schwimmen, Präsident Putins kompakten, sportlichen Körperbau bewundern und die fröhliche Unverschämtheit seines amerikanischen Gegenspielers Bush.
Ich blickte auf die Plateaus unter mir hinab. Ein heller Morgendunst aus Gischt und Schmutz war aus den Überresten des Meeres aufgestiegen und hatte die Stadt mit der rosigen Tönung von Dosenfleisch überzogen. Nun, da der Waffenstillstand in Kraft war, gingen die Bürger, ob Sevo, ob Svanï, ihren Tagesgeschäften nach, warfen sich in den weit geöffneten Rachen der Parfümerie 718 oder versammelten sich vor Taxen und liegen gebliebenen Kleinbussen zu einem spontanen Kaffeeplausch und spuckten Sesamkörner in die Sonne. Waffen- und antennenstarrende Truppentransporter standen mit brummenden Motoren vor den Cafés und sahen aus wie die leeren Chitinpanzer toter Insekten.
Ich fand eine Nachricht von Larry Zartarian:
Lieber Der Gast,
Achtung: Bundesheer und DORSCH -Truppen belagern die Stadt. Flugplatz dicht. Erleben Sie die historischen Schönheiten von Svanïstadt (vom Franzosen Alexander Dumas »Perle am Kaspischen Meer« getauft – Ooh, là là!), während sich die politische Lage unseres Landes klärt. Sie finden American Express Tour Company neben Hotel. Ganz für Sie da.
Einmal hatte ich Zartarian gefragt, warum er in seinen Briefen an die Gäste so komisches Englisch schrieb, und er hatte mir gestanden, dass er sich als schlauer Einheimischer geben wollte, nicht als verzogenes Vorstadtkind aus dem San Fernando Valley. Der arme Zartarian. Wenn ich die Augen schloss, sah ich seine Leiche neben der seiner Mutter, bereit für die Rückführung nach Glendale.
Ich überflog die Nachricht und fragte mich:
Was würde Aljoscha-Bob jetzt machen?
Irgendwas
würde er bestimmt machen
. Ich setzte eine riesige eckige Sonnenbrille auf und schlüpfte in meinen weitesten klassischen Jogginganzug, den, der meinen Wanst nach oben drückte und weit vorstehen ließ, bis ich aussah wie der berüchtigte nordkoreanische Playboy Kim Jong Il.
Zeit für einen Spaziergang, wie Dr. Levine sagen würde.
Bei American Express lümmelten sich zwei Mädchen hinter ihren Schreibtischen, weiß und blond die eine, lieblich dunkel und einheimisch die andere, feilten sich die Nägel, plauderten leise auf Englisch und Russisch und ließen ihre Zungen hübsch über die Worte klickern und klackern (»Chicks de luxe«, »Chill-Out-Zone«, »Charing Cross Station«).
Sie gefielen mir gleich, diese süßen, in den Westen verliebten Wesen. Es gelang mir sogar, kurz zu vergessen, dass Aljoscha-Bob nicht da war. »Hey«, sagte ich
en anglais
zu den Mädels. »Was geht ab?«
»Guten Tag«, zirpte die Blonde. »
Bienvenue.
Herzlich willkommen bei American Express.« Sie lächelte aufrichtig, und die andere – die dunkle – schlug die Augen nieder und grinste mit ihren vollen roten Lippen. Die Blonde war eindeutig Russin; auf ihrem Namensschild stand so etwas wie Anna Iwanowna. Ich konnte nicht sagen, ob sie mirgefiel. So wie sie sich auf ihre vollen Brüste lehnte, wirkte sie weder besonders anziehend noch gänzlich unerfahren in der Kunst, junge Männer zum Wahnsinn zu treiben.
Als ich aber die Dunkle ansah, rutschten mir die Gedanken sofort unter die Gürtellinie. Sie trug ein ockerfarbenes T-Shirt und Jeans, die viel zu eng um ihre südländischen Hüften lagen. Wenn eine Frau mich in ihren Bann schlägt, kreisen meine Fantasien oft nicht um ihr strahlendes Lächeln oder die Art, wie sie sich die Ranken ihres lockigen Haares zurückstreicht, sondern eher um das »große Unbekannte« – wie wohl ihr gebärfreudiges Becken aussieht, wenn am Morgen weiße Alltagsunterwäsche darüber gezogen wird, und ob noch Haare darunter hervorstehen oder nicht. Das ist alles Henry Millers Schuld, dessen Werke ich während meines Kerkeraufenthalts auf dem Zufallscollege las, zeitgleich mit meiner Einführung in den dichtbehaarten amerikanischen Multikulturalismus.
»Ich komme aus Belgien und interessiere mich für die
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