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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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nur von Kieran geredet, von früher. Und er hat ständig in Kierans Zimmer gesessen. Und von Grahamston, davon hat er auch dauernd geredet.«
    » Grahamston?«
    » Ja, das ist ihm gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Er war wie besessen davon. Es hat ihn furchtbar geschmerzt, dass er und Kieran nicht noch mal zusammen in Grahamston waren. Das hatte er Kieran versprochen, hat er gesagt, dass sie noch mal zusammen nach Grahamston gehen. Und ein Versprechen muss man halten, hat er gesagt.«
    Winter war klar, dass Mrs. McKendrick schon eine Weile nicht mehr mit ihm redete. Sie starrte auf den Boden und hing ihren Erinnerungen nach. Und den Bildern, die vermutlich in ihrem Kopf herumspukten: kleine Jungs, die miteinander spielten, zwei beste Freunde, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatten.
    » Grahamston, Grahamston. Er hat von nichts anderem mehr geredet. Als könnte er Kieran dadurch wieder zurückholen. Als könnte er…«
    Mitten im Satz verstummte sie. Für ein paar Minuten hatte sie vergessen, dass ihr Jüngster tot war, aber jetzt war es ihr wieder eingefallen, und alles holte sie wieder ein. Als ihre Augen feucht wurden, fühlte Winter sich wie das letzte Arschloch. Trotzdem musste er ihr noch eine Frage stellen. Auch wenn er die Antwort praktisch schon erraten hatte.
    » Wissen Sie, was es mit Grahamston auf sich hat?«
    » Nein, er hat es mir nie verraten. Kieran auch nicht. Das war irgend so ein albernes Geheimnis der beiden, schon seit sie klein waren. Ich hab immer mal gehört, wie sie davon geredet haben, aber wenn sie mich gesehen haben, haben sie kein Wort mehr gesagt. Ich glaube, sie hatten Angst, sie würden deswegen Ärger mit ihrem Dad bekommen. Hat er Ihnen mal davon erzählt? Wissen Sie was darüber?«
    » Nein, mir hat er auch nichts gesagt«, erwiderte Winter, was zumindest nicht direkt gelogen war. » Er hat es nie erwähnt.«
    Es war keine Lüge, aber auch nicht die Wahrheit, was auch nicht viel besser war. Winter hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was Ryan mit » Grahamston« gemeint haben könnte. Falls er richtig lag, stand er vor der wahrscheinlich dümmsten Entscheidung seines Lebens.
    Mrs. McKendrick nickte traurig und tippte glühende Asche in den Aschenbecher.
    » Sie können ihn ja mal fragen, wenn er wieder daheim ist«, meinte er.
    » Wie bitte? Ach so, ja. Ja, natürlich. Wenn er wieder da ist, frag ich ihn. Kann ich sonst noch was für Sie tun, Tony? Wissen Sie, Suzanne kommt bald nach Hause, und dann ist sie immer hungrig. Ich muss den Tee aufsetzen.«
    » Selbstverständlich. Ich will nicht weiter stören.«
    Winter stand auf und ließ sich von Mrs. McKendrick zur Tür bringen. Eine weitere Erinnerung trieb der trauernden Mutter frische Tränen in die Augen. Einige peinliche Sekunden lang waren sie beide unschlüssig, wie sie sich verabschieden sollten. Er streckte eine nervöse Hand aus, sie griff nach seiner Hand, überlegte es sich doch noch anders, ging einen halben Schritt auf ihn zu und drückte ihn kurz an sich.
    » Es freut mich immer, die alten Freunde der Jungs zu sehen«, murmelte sie. » Passen Sie auf sich auf, ja?«
    Damit schloss sie die Tür. Winter rannte die Treppe hinunter und floh aus dem Haus.

39
    Es gab zwei Grahamstons. Das eine lag im etwa vierzig Kilometer entfernten Falkirk und hatte einen Bahnhof, ein baufälliges Stadion und ein Einkaufszentrum zu bieten. Das andere befand sich direkt unter Glasgow und war doch Lichtjahre entfernt. Und dass die McKendrick-Jungs davon geträumt hatten, nach Falkirk abzuhauen, daran hatte Winter so seine Zweifel. Falkirk war kein Las Vegas.
    Als er klein war, hatte Onkel Danny ihm von der geheimen Stadt unterhalb der Stadt erzählt. Vor langer Zeit war Grahamston ein pulsierendes Viertel gewesen, ein Handels- und Industriezentrum im Herzen von Glasgow, in dem ein paar Tausend Menschen gelebt hatten. Alle Straßen führen nach Rom, aber in Glasgow führten sie allesamt durch Grahamston. Grahamston lag an der wichtigsten Straße von Ost nach West und später auch an der bedeutendsten Nord-Süd-Verbindung. Wer zu den großen Städten Zentralschottlands oder vom Forth and Clyde Canal zu den Schiffen am Broomielaw wollte, kam nicht an Grahamston vorbei.
    Grahamston befand sich an der großen Kreuzung von Union, Jamaica und Argyle Street. In Glasgow wurde gerne behauptet, früher wäre sie die verkehrsreichste Kreuzung Europas, wenn nicht der Welt gewesen. In Grahamston selbst gab es nur eine einzige Straße, die

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