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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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an der Ecke Argyle und Jamaica Street, gegenüber vom Grant Arms und direkt über dem Herzen des alten Grahamston, gebe es eine schmale Gasse. Als Teenie hätten er und ein paar Kumpels dort eine schwere Metallplatte in der Mitte der Gasse angehoben und den Tag unter Tage verbracht, wo sie sich mit Buckfast und White Lightning zugedröhnt hätten und in den Tunneln herumgewandert seien, die unter dem Donnern der Züge bebten.
    Aber das war Jahre her, und Rowan war nicht mehr fünfzehn, sondern über dreißig. Wahrscheinlich hatten die Behörden dem ordnungswidrigen Treiben längst ein Ende gesetzt. Oder auch nicht.
    Wenn man von der Jamaica Street her kam, war die Gasse selbst kaum zu übersehen. Am Eingang wucherte etwas Gestrüpp, aber das war kein Problem. Winter wartete, bis die Luft rein war, und schob sich durchs Dickicht. Weil die Gasse vor allem als Müllkippe verwendet wurde, lief er durch die übliche Ansammlung von Flaschenscherben und gebrauchten Kondomen. Der Weg war so schmal, dass er sich gerade so durchquetschen konnte, und ziemlich dunkel, was ihm aber nur recht war, da er lieber unbeobachtet bleiben wollte. Er schlich vorsichtig bis zur Mitte und wieder ein paar Schritte zurück, bis es unter seinen Füßen klapperte. Tatsächlich, da war etwas Metallisches.
    Das Ding war ziemlich zugewachsen, doch als er etwas Unkraut ausgerissen hatte, ertastete er den Rand eines zentimeterdicken, rostigen Deckels. Wahrscheinlich war er den Behörden durch die Lappen gegangen, weil er nicht mal ordentlich befestigt war, sondern bloß irgendwie auf dem Boden lag. Vielleicht weil er gar nichts abdeckte, dachte Winter.
    Er zwängte die Finger unter eine Ecke, doch er konnte den Deckel kaum anheben.Als er beide Hände druntergeschoben hatte, fragte er sich, wie er die Finger da jemals wieder rausbekommen sollte. Der nächste Versuch. Scheiße, war das Teil schwer. Mit Mühe und Not bewegte er es ein paar Zentimeter in die Höhe und zur Seite, setzte es kurz ab und machte weiter. Er zog und zerrte mit aller Kraft. Als er den Deckel gut dreißig Zentimeter zur Seite gerückt hatte, beugte er sich vor– und traute seinen Augen kaum. Da war ein Loch. Jamie hatte die Wahrheit gesagt. Er kämpfte noch zehn Minuten mit dem Deckel, bis er die ersten Stufen einer Holztreppe erkennen konnte, und bald war die Lücke so groß, dass er problemlos durchpasste.
    Und jetzt wurde es auch noch dunkel, was seinen Mut nicht gerade ins Unermessliche wachsen ließ. Besonders viel Sonnenlicht hätte sich sowieso nicht in die alten Fundamente der Alston Street oder auf die stillgelegten Bahnsteige der Central verirrt, aber die Dämmerung machte ihm noch zusätzlich zu schaffen. Er hatte genug alte Horrorfilme gesehen, um zu wissen, dass es eine bescheuerte Idee war, sich bei Sonnenuntergang in die Höhle des Monsters zu wagen.
    Nach einem letzten Blick zurück– nein, er wurde nicht beobachtet– ließ er sich etwa einen halben Meter tief fallen, auf die erste Stufe. Er war froh, die Taschenlampe in der Gesäßtasche zu spüren. Schritt für Schritt stieg er hinab. Nach einem guten Dutzend Stufen fühlte er ebenen Boden unter den Füßen und schaute sich um. Er befand sich in einer Art Vorzimmer, von dem ein Tunnel nach rechts abzweigte, wo er Norden und damit die Central Station vermutete. Dorthin wollte er, und auch wenn er die Hosen schon lange voll hatte, er würde es durchziehen.
    Im Licht der Taschenlampe sah er hüfthoch geflieste Mauern. Weiter oben wichen die gelben Kacheln schmutzig gelber Farbe. Andere, weiß getünchte Wände erinnerten an ein heruntergekommenes Krankenhaus oder eine Irrenanstalt. Plötzlich trat er in helles Tageslicht. Offenbar befand er sich unter einer der dicken Glasplatten im Gehsteig, denn über seinem Kopf tappten Schritte. Wenn er sich nicht irrte, war er irgendwo unter der Union Street. Am Ende des Korridors entdeckte er eine Doppeltür. Zögerlich ging er weiter, und er hatte Glück– die Tür war nicht verschlossen. Auch der nächste Tunnel war halbhoch gefliest, eher weiß als gelb, doch die Fliesen waren seit Urzeiten nicht mehr geputzt worden. Am Ende stieß er auf eine weitere Tür und danach auf noch eine. Er schob sich durch das dämmrige Licht, ohne zu wissen, was vor oder hinter ihm lag.
    Hinter der nächsten Tür gelangte er zu einer Treppe, die ein gutes Stück in die Tiefe führte. Er spürte, wie die Luft abkühlte, er roch die Feuchtigkeit. Irgendwo tropfte Wasser, anscheinend direkt

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