Snapshot
davon abgesehen war es scheißegal, wo der andere Eingang war. Er war hier reingekommen, McKendrick war hier reingekommen und sein Mörder auch. Ob es einen, zwei oder drei Eingänge gab, war dabei höchstens von theoretischem Interesse. Jetzt ging es nur noch um Rachels Leben.
So schnell es seine müden Beine und das dämmrige Taschenlampenlicht erlaubten, lief er durch die Tunnel. Um die Ecke, den Gang entlang und die Treppe rauf. Durch Doppeltüren und feuchte Krankenhauskorridore, vorbei an der Nische mit dem Generator, erst die weißen, dann die gelben Fliesen, dann unter dem gläsernen Gehsteig an der Union Street hindurch, durch den nun grelles Neonlicht fiel. Exakt an diesem Punkt packte ihn die Angst– was, wenn irgendwer den Deckel über das Loch geschoben hatte? Wenn er vorsätzlich in die Falle gelockt worden war? Oder wenn irgendein Streber nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als seine verdammte Bürgerpflicht zu erfüllen? Daran hatte er noch keinen Gedanken verschwendet, aber wenn das Blech wieder auf der Öffnung lag, würde er es niemals zur Seite schieben können.
Erst als er in den mondhellen Vorraum einbog, konnte er wieder durchatmen. Ganz oben schimmerte ein schmaler, blasser Silberstreif. Also war der Deckel noch genau so, wie er ihn zurückgelassen hatte. Erleichtert stieg er die Treppe hinauf und kletterte in die zugewachsene Gasse hinter dem Burgerladen.
Kaum war er wieder an der Oberfläche, griff er nach seinem Handy. Er nahm sich nicht die Zeit, sich durchs Telefonbuch zu scrollen, sondern vertraute darauf, dass seine Finger die altbekannte Nummer schneller eintippen konnten. Mach schon. Gott sei Dank ging sie nach dem vierten Klingeln ran.
» Ich kann jetzt nicht reden«, sagte sie sofort. » Ich ruf dich später zurück.«
Offensichtlich war irgendwer bei ihr. Irgendwer, der nicht wissen durfte, mit wem sie sprach, denn sie hatte Winters Namen nicht genannt.
» Nein, wir müssen jetzt reden. Jetzt gleich.«
» Tut mir leid, aber hier geht’s drunter und drüber.« Sie senkte die Stimme. » Er hat schon wieder zugeschlagen.«
» Scheiße. Wen hat’s diesmal… egal. Hör mir zu.«
» Sorry, ich muss jetzt weiter.«
» Nein! Es ist wirklich wichtig, Rachel… Rachel. Rach! Du musst da weg. Bitte, hör mir…«
» Wir machen eine Pressekonferenz, und ich muss da jetzt rein. Ich ruf dich von zu Hause zurück. Bis dann.«
» Verdammt noch mal, Rach!« Aber er führte nur noch ein Selbstgespräch, sie hatte schon aufgelegt. Dann eben anders. Im Eiltempo tippte er eine SMS .
Und verwarf sie wieder. Das hätte ihr nur eine Heidenangst eingejagt und noch dazu eine Unmenge Fragen aufgeworfen.
Der nächste Versuch:
Fahr nicht nach Hause. Fahr zu mir und schreib mir, wenn du auf dem Weg bist.
Auch das löschte er wieder. Die Pressekonferenz würde eine Weile dauern, sodass Rachel die Pitt Street frühestens in einer halben Stunde verlassen würde, wahrscheinlich noch später. Und solange sie in der Pitt Street war, war sie in Sicherheit. Er marschierte zu seinem Wagen, den er am St Enoch’s Square in einer Seitenstraße abgestellt hatte, ließ sich auf den Fahrersitz sinken, drehte das Radio auf und drückte die Taste für Radio Clyde.
Genau im richtigen Moment. Der Moderator kündigte gerade eine Unterbrechung des laufenden Programms an. Man schalte nun live zu einer Pressekonferenz im Hauptquartier der Strathclyde Police, wo es Neuigkeiten zu dem Mord gebe, über den man vorhin exklusiv berichtet habe. Ein Reporter flüsterte noch einige überflüssige Erläuterungen, die jedoch bald von einer lauten, vertrauten Stimme übertönt wurden. Alex Shirley.
» Meine Damen und Herren, vielen Dank, dass Sie sich so kurzfristig eingefunden haben. Ich werde zunächst eine Erklärung verlesen, danach sind Fragen willkommen. Allerdings weise ich schon jetzt darauf hin, dass ich über manche Aspekte der laufenden Ermittlungen weder sprechen kann noch will. Dafür haben Sie sicherlich Verständnis. Für die gute Zusammenarbeit bedanke ich mich im Voraus.«
Als Shirley eine Pause einlegte, sah Winter ihn direkt vor sich, wie er die Presseleute mit herausforderndem Blick fixierte.
» Um 20.30 Uhr am heutigen Abend ging ein Notruf aus dem Bezirk Tollcross ein, genauer gesagt von der Causewayside Street, einer Seitenstraße der London Road. Kurz vor dem Grundstück von Eastern Salvage wurde die Leiche eines Mannes gefunden, der als Alastair Riddle identifiziert wurde, der Besitzer des
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