Snapshot
der war im Moment Winters kleinste Sorge.
Der Lagerraum war fast schon eine Lagerhalle. Hier gab es alles, was die verschiedenen Sparten der SPSA brauchten. Um seine lächerliche Machtposition zu sichern, hatte Lewis sein Reich als eine Art Labyrinth angelegt, in dem sich nur er allein auskannte. Aber egal, Winter würde schon finden, was er brauchte. Selbst wenn es ein bisschen dauerte.
Er sah Regale voller Beweissicherungsbeutel, Batterien, Einmaloveralls, Nitril-Handschuhe, Abformmasse, Fingerabdruckbänder, Pinzetten und Wattetupfer. Diktiergeräte, Plastikplanen, saugfähige Tücher, UV -Tinte, Silikonspray und Federpinsel. Ein Schlaraffenland der Forensik. Ganz hinten am Ende des zweiten Gangs entdeckte er endlich, was er suchte: Kameras mit Bewegungsmelder.
Es war kein hundertprozentiger Plan, aber im Moment hatte er keinen besseren. Er würde in die Eingeweide der Stadt zurückkehren und eines dieser Schmuckstücke in einer dunklen Ecke platzieren. Alles andere würden die Sensoren erledigen– sie würden die Kamera aktivieren, und diese würde hoffentlich einen Beweis für seine Hypothese liefern. Ja, hoffentlich. Es gab keinen Plan B.
Obwohl er die Dinger bisher kaum benutzt hatte, weil sie nur selten gebraucht wurden, kannte er sich halbwegs damit aus. In ihren Anfangstagen hatten Bewegungsmelder noch mit Bildaufnahmeröhren gearbeitet, doch heute waren sie meist mit CCD -Sensoren oder mit CMOS -Sensoren ausgestattet, mit aktiven Pixelsensoren. Hatte er sich also doch nicht ganz umsonst in den Abendkurs gesetzt.
Die Standardausführung verfügte über einen 5-Megapixel- CMOS -Sensor und einen drahtlosen USB -Empfänger und war vor allem klein. Und damit perfekt. Den Empfänger würde er an seinen Laptop anschließen, den er wegen der drahtlosen Verbindung an einem passenden Ort etwas abseits von der Kamera verstecken konnte. Theoretisch hätte er sich die Daten sogar aufs Handy schicken lassen können, aber so tief unter der Erde dürfte das kaum funktionieren.
Und als wäre das System für den Einsatz in Grahamston konzipiert worden, war auch noch eine Infrarot- LED eingebaut. Tagsüber oder im Freien filmte die Kamera in Farbe, nachts oder in den finsteren Tunneln unter der Central Station in Schwarz-Weiß. Ob Farbe oder Graustufen war Winter herzlich egal. Hauptsache, der Wichser war gut zu erkennen. Er würde ihn ablichten, für den Rest waren andere zuständig.
Er ließ die Kamera einfach mitgehen. Vor der Entnahme eines so wertvollen Geräts hätte er normalerweise Formulare ausfüllen und Genehmigungen beantragen müssen, aber vermutlich wären weder Lewis noch Baxter spontan genug gewesen, eine mitternächtliche Anfrage abzunicken. Außerdem brauchte Winter das Ding, um einen Bösewicht zu fangen, und das war doch letztlich Sinn und Zweck seines Jobs, oder? Was sicher auch Baxter eingesehen hätte, und damit war theoretisch alles in Ordnung. Lenny Lewis würde sich maßlos aufregen, aber der konnte sich mal ins Knie ficken.
Natürlich wäre es angenehmer gewesen, erst am Morgen nach Grahamston zurückzukehren. Zumal ihm sein letzter Rest gesunder Menschenverstand sagte, dass es schon mithilfe des bisschen Tageslichts, das es bis runter in den Untergrund schaffte, eine Herausforderung war, den Weg zur Kammer mit McKendricks Leiche zu finden– und im Dunkeln praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Vor allem musste er an den ersten paar Ecken richtig abbiegen, und dabei konnte er kaum auf die Hilfe der gläsernen Gehsteige über den Tunneln im Anfangsbereich verzichten.
Davon abgesehen machte sich bei ihm allmählich Müdigkeit bemerkbar. Seine Beine waren mindestens so schwer wie seine Augenlider, kurz gesagt, er war ziemlich fertig. Adrenalin hin oder her, irgendwann war einfach Schluss.
Und trotzdem wollte er nicht warten. Dafür stand zu viel auf dem Spiel. Zu viel konnte schiefgehen, wenn er nicht sofort handelte. Addison, Rachel… Er war es so vielen Leuten schuldig, die Sache schnell in Ordnung zu bringen. Jetzt oder nie.
Im Übrigen konnte er sich nur nachts einigermaßen sicher sein, dass er da unten nicht über den Mörder stolpern würde. Okay, es war nicht komplett auszuschließen, dass er im Untergrund übernachtete, aber warum sollte er sich das antun? Im Gegensatz zu McKendrick musste er sich nicht verstecken. Ganz im Gegenteil, er musste sich zeigen, er musste am Alltagsleben teilnehmen, er musste über der Erde bleiben, um keinen Verdacht zu erregen.
Schließlich hatte
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