Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
Vom Netzwerk:
treffen. Ich wollte grade rauf in den fünften Stock, da ist er hinter mir aufgetaucht, auf der Treppe. Ich hab ihn überhaupt nicht gesehen. Erst hab ich nur hinten im Nacken was gespürt, und ich dachte mir, Scheiße, das ist eine Pistole. Dann hat er mich gefragt, ob ich Auto fahren kann. Ja, hab ich gesagt, und da hat er den Gewehrlauf nach vorne geschoben, an meinem Hals vorbei, damit ich das Ding sehen kann. Und er hat mir die Schlüssel vor die Füße geworfen. Vorm Eingang steht ein weißer Lieferwagen, hat er gesagt, da soll ich einsteigen und zum George Square fahren. Und ich soll mich bloß nicht umschauen.« Charlton holte Luft. » Ich hatte keine Wahl, Mann. Er hat gesagt, wenn ich abbiege oder aussteige, jagt er eine Kugel in den Tank. Er wollte, dass ich die Einbahnstraße gegen die Fahrtrichtung runterfahre, so schnell wie möglich, die Hand auf der Hupe, damit die anderen Platz machen. Ich hatte Schiss, Mann. Ich musste es tun, ich…«
    » Aye, ist schon Ordnung«, schnitt Addison ihm das Wort ab und wandte sich an den Cop, der Charlton angeschleppt hatte. » Suchen Sie sich ein ruhiges Plätzchen und holen Sie alles aus ihm raus, was Sie kriegen können. Aus welcher Höhe kam die Stimme, welchen Winkel hatte der Gewehrlauf, hatte der Typ einen Akzent, und so weiter. Du kommst mit, Tony. Wir arbeiten uns vom fünften Stock aus nach oben. Der Wichser muss uns einfach irgendwas dagelassen haben.«
    Hatte er aber nicht. Als sie am Livingstone Tower ankamen, hatte Narey das Hochhaus bereits Stockwerk für Stockwerk durchsuchen lassen und war in der siebten Etage fündig geworden: Das Schloss eines Büros war geknackt worden. Drinnen stand ein Fenster offen, aus dem man freie Sicht auf die schwelenden Überreste des Lieferwagens hatte, doch die Forensiker machten sich wenig Hoffnungen, verwertbare Spuren zu finden. Bestimmt würden sie Hunderte verschiedene Fingerabdrücke entdecken, und auf den Stuhllehnen klebten diverse Härchen, doch all das dürfte zuallerletzt vom Täter stammen. Der Bereich rund um das offene Fenster war sorgfältig abgewischt worden, und auch sonst hatte er offenbar alle erdenklichen Spuren beseitigt. Natürlich würden sie alles doppelt und dreifach überprüfen und protokollieren, aber wie es aussah, hatte der Kerl ganz genau gewusst, was er tat.
    Deshalb musste Winter ein mehr oder weniger leeres Büro fotografieren. Zum Schluss brachte er sein stärkstes Teleobjektiv an, nahm den verkohlten Lieferwagen auf dem George Square ins Visier und drückte ab, wie der Täter vor einer Weile abgedrückt hatte. Ein einziges Klicken. Kinderleicht.
    Als er Schritte hörte, blickte er auf– und schaute in Rachels angespanntes Gesicht, das sich vor ihm in der Scheibe spiegelte.
    » Was will der Typ?«, fragte er, ohne sich umzudrehen. Er sah, wie sie wortlos mit den Schultern zuckte. » Er nimmt den beiden Kurieren einen Lieferwagen voller Koks ab, prügelt sie windelweich, lässt sie in Harthill laufen und knallt sie ab. Alles, um an dieses Kokain zu kommen. Das in etwa wie viel wert sein dürfte?«
    » Knapp eine Million, sagen die Kollegen von der Drogenfahndung. Vierundzwanzig Kilo, und für ein Gramm bekommt man um die vierzig Pfund.«
    » Kokain für eine Million Pfund«, meinte Winter. » Er fährt mit dem Zeug in die Stadt, zwingt den armen Kerl, den Wagen auf dem Platz zu parken, und jagt den Dreck in die Luft. Damit er maximale Öffentlichkeit hat. Genauso gut hätte er das Zeug vor einem Champions-League-Spiel im Mittelkreis vom Celtic Park abfackeln können. Aber was will er?«
    Wieder zuckte Narey mit den Schultern, aber diesmal hatte sie eine Antwort für ihn. » Ich weiß nicht, wer er ist oder was er vorhat, aber offensichtlich will er sicherstellen, dass ganz Glasgow von ihm erfährt. Wir, die Unterwelt, die Medien, der Mann von der Straße. Alle.«
    » Nach dem Motto ›Es gibt keine schlechte Publicity‹?«, schlug Winter lahm vor.
    » Nein, das ist mir zu einfach.« Sie schüttelte den Kopf. » Der will den Drogenmarkt nicht übernehmen, sonst hätte er den Markt einfach mit dem Zeug geflutet. Er hätte jeden Junkie in der Stadt gratis versorgen und damit die Konkurrenz aus dem Geschäft drängen können. Nein, er hat gar nicht vor, zur Nummer eins aufzusteigen, und es geht ihm auch nicht ums Geld. Sonst hätte der Irre nicht grad in aller Öffentlichkeit eine Million Pfund abgefackelt.«
    » Aber eins kann ich euch sagen«, kam eine Stimme von der Tür– Addison. »

Weitere Kostenlose Bücher