Snapshot
hätten.«
Addison spuckte auf den Boden. » Fängst du jetzt auch noch damit an? Der dunkle Engel, der Antiheld? Und ich dachte immer, du wärst nicht ganz dumm.«
» Natürlich nicht. Aber…«
» Was aber?«
» Aber ich könnte mir Schlimmeres vorstellen als zwei tote Arschlöcher. Mehr will ich nicht gesagt haben.«
» Ach ja? Dann lass dir gesagt sein, dass wir hier schleunigst einen Riesenschritt weiterkommen sollten. Sonst reißt Shirley mir den Arsch auf! Dieses Scharfschützenaas lässt uns wie die letzten Versager dastehen. Da mach ich nicht länger mit, und deshalb läufst du jetzt zu deiner beschissenen Hochform auf, ob es dir passt oder nicht. Wir sind hier das Gesetz, nicht irgendein irrer Fanatiker. Schreib dir das hinter die Ohren, Detective Sergeant.«
Sein Vortrag hatte McConachie ziemlich überrollt. Verzweifelt suchte sie nach einer passenden Erwiderung, doch am Schluss kaute sie nur auf der Zunge herum und beließ es bei einem funkelnden Blick und einem eiskalten » Ja, Sir«.
Addison starrte sie weiter an, er forderte sie heraus, sich im Ton zu vergreifen. Wenn er gut aufgelegt war, war Addison für jedes Wortgefecht zu haben, aber jetzt war er beschissen aufgelegt. Jetzt wollte er kein Gerede, sondern Ergebnisse.
Ein Teil von Winter brannte immer noch darauf, ihm von der Verbindung zwischen McCabe und Strathie zu erzählen, doch er hatte sich entschieden. Er würde nach Hause fahren und Fotografien angucken.
23
» Wer tut so was?«, brüllte er. » Verdammt noch mal, wer hat mir das angetan?«
Jan McConachie glaubte, in der Stimme am anderen Ende der Leitung so etwas wie Selbstmitleid zu hören, verborgen hinter der Wut und übertönt vom donnernden Tonfall und doch vorhanden: Selbstmitleid und Angst. Der dunkle Engel, wer auch immer es war, kam näher und näher, und Terry Gilmartin hatte die Hosen randvoll.
Was für Jan eine äußerst ungünstige Entwicklung darstellte. Ein verängstigter Gilmartin war ein verzweifelter Gilmartin, und damit schwebte Amy in Gefahr. Jan bereute jeden Tag, sein Geld genommen zu haben, aber so sehr wie heute hatte sie es selten bereut. Am Anfang war es so einfach gewesen, so einfach, dass sie nicht weiter darüber nachgedacht hatte, dass es gleichzeitig grundfalsch war.
Amy hatte Nachhilfe gebraucht. Das hatte sie sich eingeredet, und der Klassenlehrer hatte ihr zugestimmt. Warum? Weil Amy ein schlaues Mädchen war, das ihr Potenzial nicht ausschöpfte. Das war das Problem, und Jan war schuld daran. Die Trennung von Amys Vater belastete die Kleine sehr, mit ihren Noten ging es bergab. Deshalb musste ein Nachhilfelehrer her. Jan musste ihr ermöglichen, ihren Rückstand aufzuholen, ihre Chancen zu nutzen.
Keine Frage, hätte sie das Geld nicht so dringend gebraucht, hätte sie Gilmartin zum Teufel geschickt. Doch er schien ihre Verzweiflung, ihre Schwachstelle zu spüren. Und er wollte bloß Informationen, eine kleine Vorwarnung, wenn es Ärger geben könnte. Sobald die Nachhilfe bezahlt war, würde sie auf den Pfad der Tugend zurückkehren, Gilmartin müsste wieder ohne sie klarkommen, und niemand würde je davon erfahren. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Wie hatte sie glauben können, es würde so leicht sein?
Als er sie erst mal in den Krallen hatte, ließ er sie nicht mehr los. Schließlich schickte Jan einen seiner Schlägertypen mit dem Geld zurück– und Gilmartin zog die Daumenschrauben an. Eines Nachmittags stand Amy nach dem Unterricht strahlend vor dem Schultor und präsentierte ihrer Mutter ein nagelneues Paar Sportschuhe. Wie sich herausstellte, war kurz zuvor ein Freund von Mami vorbeigekommen und hatte Amy das Geschenk überreicht, das übrigens wie angegossen passte. Er hatte ihr gesagt, er könne ihr jederzeit weitere Geschenke bringen, weil er wüsste, wo sie wohnte. Darüber hatte sich Amy sehr viel mehr gefreut als ihre Mami.
Terry Gilmartin bezahlte sie weiterhin, doch seit diesem Tag war ihnen beiden klar, dass sie auch gratis geliefert hätte. Nur wenn sie tat, was er wollte, würde Amy von weiteren Besuchen ihres neuen Onkels George verschont bleiben. Statt bei der Kleinen vorbeizuschauen, arrangierte George Faichney regelmäßige Unterredungen, meist am Telefon, manchmal an einem Treffpunkt, bei denen sie ihm erzählte, was Gilmartin diese Woche wissen wollte. Solange sie mitmachte, war Amy in Sicherheit. Bis jetzt. Jetzt wollte Gilmartin etwas, das sie ihm nicht geben konnte, und damit war das Spiel deutlich
Weitere Kostenlose Bücher