Snapshot
gefährlicher geworden.
» Wer hat mir das angetan?«, wiederholte er.
» Es geht nicht nur um Sie«, erklärte Jan. » Der Typ hat es auf jeden abgesehen, der auf höherer Ebene mit dem Glasgower Drogenhandel zu tun hat.«
» Was soll das heißen, es geht nicht um mich!«, kreischte Gilmartin in die Leitung. » Mein Sohn liegt auf Intensiv, Jimmy Adamson und Andrew Haddow sind tot. Das Arschloch klopft schon an meine Tür, und deshalb sagen Sie mir jetzt, was da los ist!«
Jan tat, was sie tun musste. Sie sagte ihm alles, was die Cops wussten und nicht wussten. Als er kapierte, dass Letzteres starkes Übergewicht hatte, zeigte er sich wenig begeistert.
24
Seit seinem Besuch in der Notaufnahme der Royal stand Rory McCabes Adresse in Winters Akten. Der Junge und seine Eltern lebten in einem Wohnblock in der Whitehill Street. Ein paar Hundert Meter weiter, auf dem Craigpark Drive, hatten ihn seine Kumpels mit einem zertrümmerten Knie vom Boden aufgeklaubt.
Dennistoun war ein ödes Mietskasernengebiet. Die Viktorianer hatten es ursprünglich für den ehrbaren Mittelstand errichtet, doch als die Angestelltenschaft nicht wollte, zogen stattdessen ehrbare Arbeiterfamilien ein. Die Whitehill Street, eine lange Reihe vierstöckiger Gebäude aus rotem Backstein mit meist acht Parteien pro Hauseingang, lag im Herzen von Dennistoun. Geheimnisse verbargen sich hinter ordentlich getrimmten Hecken und Spitzenvorhängen.
Winter hatte sich nicht genau überlegt, was er sagen würde oder wie er erklären sollte, warum er bei den McCabes auftauchte. Wahrscheinlich war es am besten, möglichst wenig zu sagen. Ja, hier war weniger tatsächlich mehr. Er parkte das Auto vor dem Wohnblock, ging rauf in den zweiten Stock und klopfte energisch an die Tür, jederzeit bereit, die Flucht zu ergreifen.
Fast im selben Moment öffnete eine Frau die Tür– blond, Ende vierzig, gut gekleidet. » Ja?«, fragte sie höflich. » Wie kann ich Ihnen helfen?«
In der Hoffnung, dass die Dame nicht allzu genau hinschauen würde, hielt Winter seinen SPSA -Ausweis hoch. » Guten Tag, Mrs. McCabe. Mein Name ist Tony Winter, ich arbeite an den Ermittlungen zum Überfall auf Ihren Sohn. Ich habe schon im Krankenhaus mit ihm gesprochen. Vielleicht könnte ich mich noch einmal mit ihm unterhalten? Es haben sich neue Fragen ergeben.«
» Heißt das, Sie haben etwas herausgefunden?« Aufregung mischte sich in ihre Stimme. » Wissen Sie, wer es war?«
» Noch nicht, aber die Ermittlungen dauern an. Mein Besuch soll Ihnen auch zeigen, dass wir die Hoffnung nicht aufgegeben haben. Wir werden den Täter finden.«
Darüber schien sich die Mutter zu freuen, denn sie lächelte ihn an, öffnete die Tür vollständig und wich einen Schritt zurück, um ihn hereinzulassen. Die ordentliche, saubere Wohnung sah aus, als wäre sie vor Kurzem renoviert worden. Mrs. McCabe begleitete ihn in das Wohnzimmer, aus dem plärrendes Gedudel drang, vielleicht ein Film oder ein Videospiel.
Es war beides. Rory saß auf der Couch, eine Playstation 3 vor sich auf dem Boden, während gleichzeitig auf einem kleinen Fernseher irgendein Schundfilm lief. An der Wand hinter dem Sofa lehnten zwei Krücken. Erst als seine Mutter zum zweiten Mal auf den Besuch hinwies, blickte der Junge auf.
Anscheinend erkannte er den Fotografen sofort wieder. Anders konnte Winter sich sein feindseliges Starren nicht erklären. Oder es passte ihm einfach nicht, beim Spielen gestört zu werden.
» Rory, das ist Mr. Winter. Er ist von der Polizei. Entschuldigung, Mr. Winter, jetzt habe ich Ihren Dienstgrad vergessen…«
» Schon gut, Mrs. McCabe«, sagte er mit betont selbstbewusster Stimme. » Wenn es Ihnen recht ist, würde ich mich gerne unter vier Augen mit Rory unterhalten.«
Die Frau wich einen Schritt zurück, ein wenig verunsichert. » Natürlich, selbstverständlich… Kann ich Ihnen vielleicht eine Tasse Tee bringen?«
» Nein, danke.«
» Vielleicht einen Kaffee?«
» Nein, aber vielen Dank.«
Mrs. McCabe sah ein, dass ihre Rolle als vollendete Gastgeberin heute nicht gefragt war, schloss die Tür und ließ Winter mit ihrem mürrischen Teenagersohn allein.
» Hi, Rory. Wie geht’s? Wie geht’s dem Knie?«
Der Junge seufzte. » Schon okay.«
» Kann man mit den Dingern überhaupt laufen?«, erkundigte er sich mit einem Nicken in Richtung Krücken.
» Ja, einigermaßen. Hören Sie, ich bin nicht so bescheuert wie meine Mum. Ich erinnere mich an Sie, ich weiß, dass Sie kein Cop
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