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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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entsprechend wirr getrocknet war. Und Blut. Falunrot an den offenen Händen, ein paar Tupfer an den Füßen. Näher heran. Jetzt sah er die Eisennägel, die man durch die Hände getrieben hatte. Winters Eingeweide verkrampften sich, seine Atmung ging schneller. Auch durch die Füße hatte man Nägel geschlagen, durch das schwarze Leder der Schuhe, die daraufhin ausgelaufen waren. Aber die gottlose Lache auf dem Boden bestand nicht nur aus Blut. Auch die Angst, die die Vorderseite der marineblauen Hose befleckt hatte, hatte sich dort gesammelt. Einen Teil der Vorstellung hatte das Opfer bei lebendigem Leib miterlebt.
    Noch näher. Winter roch Schweiß, Blut, Urin und Panik. Den Tod selbst. Seine Nase kräuselte sich, seine Lippen kribbelten noch stärker. Er blieb stehen, stellte scharf, drückte ab, ging einige Schritte zur Seite und wiederholte die Prozedur. Ein Halbkreis nach rechts, den Finger immer am Auslöser. Jedes Detail aus jedem Winkel. Das hier war selbst ihm neu. Darauf konnte einen nicht mal Glasgow vorbereiten. In Gedanken war er wieder in der St-Simon-Kirche in der Partick Bridge Street, hörte Father Mulroneys Stimme. Markus, Kapitel 15, Vers 27: » Und sie kreuzigten mit ihm zwei Mörder, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.«
    Er hatte sich bis auf zwei Meter genähert. Der Tote füllte den gesamten Sucher aus. Anvisieren, reinzoomen, fokussieren. Durchlöcherte Hände, die immer noch bluteten, aus denen langsam, ganz langsam der letzte Rest Leben tropfte. Die Eisennägel waren 08/15-Teile aus dem Baumarkt, die eigentlich für Holzbretter und nicht für Fleisch und Knochen gedacht waren. Die rechte Hand, die linke Hand, die eine wusste nicht, was die andere getan hatte. Noch näher heran.
    Winter hatte es schon geahnt, aber erst jetzt hatte er Gewissheit. Jeder Winkel, jedes Detail. Durchs Auge der Kamera hatte er es bereits gesehen, doch die eigenen Augen hatte er davor verschlossen, weil er nicht wollte, dass es war, wie es war. Er kniete vor der Leiche, ein paar Zentimeter vor der Pfütze aus Blut und Pisse. Sein Objektiv richtete sich auf das Gesicht des Toten, als wollte es zu einem letzten vergeblichen Flehen ansetzen. Er blickte in die verzweifelten Augen von Inspector Graeme Forrest, dessen letzte Hoffnung längst auf den Asphalt getropft war.
    In Forrests Mund steckten haufenweise Zwanzig-Pfund-Scheine. Seine Backen waren prall gefüllt, und hundert, vielleicht sogar zweihundert Pfund hingen ihm von den Lippen. Gebrauchte Scheine klemmten zwischen seinen Zähnen, stellten ihn ruhig und nahmen ihm die Luft zum Atmen.
    Graeme starrte auf den Boden, als würde er dort nach Antworten suchen. Leere blaue Augen voller Angst. Winter zoomte an eines dieser Augen heran, ein Foto, das in keinem Beweisverfahren auftauchen würde. Er sah Schrecken und Schuld und Schmerz.
    Forrest war immer ein ziemlicher Teufel gewesen, aber nun hatte man ihn gekreuzigt wie Gottes Sohn. Das hätte Father Mulroney bestimmt nicht gutgeheißen. Was bildete dieser Sünder sich eigentlich ein?
    Ein trauriger Mund. Die Scheine hatten ihn geweitet und verzerrt, die Mundwinkel herabgezogen. Womit hatte er das verdient? Polizeischule. Immer nett zu Mum gewesen. Verbrecher gejagt. Zweimal täglich Zähne geputzt. Und dann wurde man von irgendeinem Wichser an eine Tür genagelt. Forrest wirkte fett, wie er da mit hängendem Kopf und dicken Backen hing. Das bisschen Blut, das er noch zu bieten hatte, war ihm ins Gesicht geschossen, sodass er einem gut genährten Hamster ähnelte. Das arme Schwein.
    Seine Stimme in Winters Kopf: Hey, fotografier mich nicht so. War schon immer ein eitler Sack, dieser Forrest. Er hätte sich sicher einen vorteilhafteren Blickwinkel gewünscht, aber Winter hatte bereits alle Winkel durch. Nur ein Foto noch. Und außerdem, so wahr ihm Gott helfe: Forrest hatte nie besser ausgesehen. Jetzt war er unsterblich, ein in Bernstein gegossener Teil des größten, beschissensten Falls der Stadt.
    Winter wich einen Schritt zurück. Er kroch vorsichtig unter dem toten Cop hervor und trat zurück, während er hinter sich Stimmen wahrnahm. Eine hörte er heraus: Rachel. Scheiße, was wollte die hier? Addison war auch dabei, aber Winter hatte keine Ahnung, was da geredet wurde. Wahrscheinlich nur Schwachsinn. War doch alles Schwachsinn. Ein Bild sagte mehr als tausend Worte, also wozu überhaupt noch den Mund aufmachen? Er wandte sich von Forrest ab und überließ ihn den Aasgeiern. Er hatte ihn für

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