Snapshot
Grimasse verzogen. Scheiße, war der Kerl lang, wie er sich da ausstreckte und allmählich auskühlte. Winter zerrte sich die Jacke runter und kniete sich neben ihn, während er den Schrei erstickte, der sich in seinem Inneren anstaute. Er versuchte, die Blutung mit der Jacke zu stoppen, doch der Stoff sog sich in Sekundenschnelle voll. Addisons Augen hatten sich im Nirgendwo verloren. Auch als Winter seinen Kopf vorsichtig anhob, erwiderte er seinen Blick nicht. Nein, dachte er, nein! Da spürte er etwas, eine abgehackte Bewegung unter sich. Addisons Beine zuckten, als würde man ihm einen leichten Stromschlag durch die Glieder jagen. Was hatte das zu bedeuten? Dass er am Leben war? Dass er starb? Winter wusste nicht weiter.
Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. Augenblicklich spannten sich seine Muskeln an. Verpiss dich!, wollte er jedem entgegenschleudern, der ihm jetzt zu nahe kam. Doch die Stimme überraschte ihn.
» Vorsicht. Legen Sie den Kopf langsam wieder ab. Sonst landet er noch Ihretwegen im Rollstuhl. Und jetzt machen Sie Platz. Bitte.«
Winter drehte sich um. Hinter ihm stand Campbell Baxter. Er hatte ihn nicht kommen hören. Seine Stimme klang zugleich sanft und verständnisvoll und doch bestimmt. Winters Augen wanderten zwischen ihm und Addison hin und her. Was jetzt?
» Hören Sie zu, Winter. Ich weiß, ich habe normalerweise eher mit Toten zu tun, aber im Moment kenne ich mich hier nun mal am besten aus. Der Krankenwagen braucht noch zwei Minuten, und noch ist er am Leben. Lassen Sie mich helfen.«
Winter nickte, hilflos und stumm, und schob die Ärmel seiner Jacke unter Addisons Kopf. Er wartete, bis Baxter unter seine Hand gegriffen und den Schädel des DI behutsam abgelegt hatte. Die ersten Geräusche brandeten an seine Ohren. Unter anderem Shirleys Gebrüll– jeder Cop in einem Umkreis von zehn Kilometern sollte sich schleunigst zum mutmaßlichen Standort des Schützen begeben, sämtliche Zufahrts- und Fluchtwege sollten abgeriegelt werden.
Baxters fleischige Pranke schloss sich um Addisons Handgelenk. Er tastete nach dem Puls, fand ihn und bezeichnete ihn als sehr schwach. Weitere Hände fassten Winter an den Schultern und zogen ihn hoch, weg von Addison. Er ließ es geschehen, ließ die anderen machen. Dann stand er da, blickte sich um und sank in Rachels Arme. Er vergrub das Gesicht in ihrem Haar, bis ihr Duft sein gesamtes Bewusstsein ausfüllte. Wie hatte er diesen Duft vermisst. Sie drückte ihn an sich und drehte ihn weg von Addison, ohne sich darum zu kümmern, dass die Kollegen zusahen. Doch als er den Kopf hob, um sie zu küssen, presste sie ihn mit festem Griff auf ihre Schulter.
Nach einer Weile hörte er das Jaulen eines Krankenwagens. Er riss sich von ihr los und richtete sich auf. Sanitäter sprangen aus dem Fahrzeug und rannten zu dem Verletzten. In der Zwischenzeit hatte Baxter irgendetwas um die Wunde gewickelt, das die Blutung anscheinend gestoppt hatte. Nachdem er ein paar Worte mit den Sanitätern gewechselt hatte, zog er sich zurück. Sie fixierten das Genick, schoben eine Trage unter Addison und hoben ihn in den Wagen. Als sich die Türen schlossen, hielt Rachel Winter wieder fest. Ein letzter Blick auf Schläuche und Kabel, die gerade angebracht wurden, ehe der Motor aufheulte und der Krankenwagen mit plärrender Sirene losfuhr.
Bald verschwand er hinter der nächsten Ecke. Als Winter sich umschaute, sah er, wie Alex Shirley vor der leblosen Jan McConachie stand. Der Krankenwagen hatte sie gar nicht erst mitgenommen. Sie war tot.
» Lass mich«, sagte er zu Rachel.
Ihre Augen flehten ihn an, doch er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: » Schon gut. Mir geht’s gut. Lass mich.«
Ein zögerliches Nicken, ehe sie ihn losließ und sich unauffällig umblickte. Wahrscheinlich wollte sie wissen, wer sie beobachtet hatte, aber das war Winter egal, er hatte zu tun. Police Constable Jim Boyle sah ihn kommen und stellte sich ihm in den Weg, ein großer, kräftiger Kerl mit einem rasierten Kopf unter der Uniformmütze, an dem Winter nicht so ohne Weiteres vorbeigekommen wäre. Aber wenn es sein musste, würde er es versuchen.
» Du musst das nicht machen, Tony«, sagte Jim.
» Doch. Das ist mein Job.«
» Scheiße, Tony, das können doch auch andere machen. Die sind schon auf dem Weg. Lass dich von irgendwem mitnehmen, und fahr dem Krankenwagen hinterher. Addy ist doch dein bester Kumpel.«
Winter schüttelte den Kopf. » Ich muss meine Arbeit
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