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Snapshot

Snapshot

Titel: Snapshot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Robertson
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Steuer. Addison gab Winter zwei Minuten, um sich fertig zu machen. Würde er dann nicht auf dem Gehsteig stehen, würde er ohne ihn fahren. Winter beeilte sich so sehr, dass er sogar etwas warten musste.
    Er ließ sich in den Beifahrersitz fallen. Noch während er versuchte, die Tür zu schließen, schlingerte der Audi zurück auf die Straße, und als er sich anschnallte, war Addison schon über die rote Ampel an der Auffahrt zum Motorway gebrettert. Sein aschfahles Gesicht und die Bier- und Whiskyschwaden, die aus seiner Richtung herüberwehten, sprachen eine deutliche Sprache: Der DI hätte nie im Leben fahren dürfen. Ein Glück, dass ihn heute kein Cop auffordern würde, ins Röhrchen zu blasen.
    Addison wirkte ziemlich mitgenommen. Rote, verkniffene Augen, als hätte er das letzte Pint erst vor fünf Minuten gekippt, dazu eine lodernde Wut tief in den Pupillen. Den Blick kannte Winter. Addison tat sein Bestes, sich im Zaum zu halten, bekam es aber nicht besonders gut hin. Offensichtlich hätte er mordsmäßig gern irgendwem in den Hintern getreten. Stattdessen trat er das Gaspedal durch und prügelte den Wagen Richtung Rutherglen.
    Auf der gesamten Hinfahrt machte er nur einmal den Mund auf. Er spuckte die Worte auf die Windschutzscheibe, die Augen ununterbrochen auf die Straße gerichtet.
    » Mir reicht’s. Den Wichser mach ich fertig. Der ist erledigt. Erledigt.«
    Dann wieder Stille, bis sie mit heulendem Motor ins Dixon Blazes und zum hinteren Ende der Lawmoor Road rasten, vorbei an Lagerhallen, Bürogebäuden und Industrieanlagen zum letzten Grundstück vor den Bahngleisen.
    Zwei blau-gelbe Wagen der Strathclyde Police und ein paar Zivilfahrzeuge markierten den Tatort wie Kreuze auf einer Schatzkarte. Addison war schon aus dem Wagen gesprungen und verschwunden, ohne den Audi abzusperren, als Winter noch am Türöffner herumfummelte. Und als er seine Ausrüstung von der Rückbank angelte, hörte er Addy fluchen:
    » Was zum…«
    Erst jetzt registrierte Winter die Gesichter der paar Cops, die es noch früher hierher geschafft hatten. Alle sahen die Neuankömmlinge an, und in ihren Augen lag eine Art Mitleid. Was Addison offenbar nicht bemerkt hatte, denn er war ohne Zögern um die Ecke des Gebäudes getrampelt, und jetzt sah er sich der Ursache der mitfühlenden Blicke der Kollegen unmittelbar gegenüber. Er stand stocksteif und mit offenem Mund da.
    Winter sprintete zur Ecke des Gebäudes. Als er die anderen erreicht hatte, kam er abrupt zum Stehen und schaute, wohin die Kollegen schauten. Wohin Alex Shirley und Jan McConachie– scheiße, Rachel war auch da–, Julia Corrieri, zwei weitere Detectives und vier Uniformträger, darunter Jim Boyle und Sandy Murray, schauten.
    Dreißig Meter vor ihm befand sich eine halb fertige Lagerhalle. Über der Tür war kein Schild, die Wände waren nicht gestrichen, das Dach war noch nicht vollständig gedeckt. Doch flach an die Tür gepresst stand ein Mann mit erhobenen Armen, als würde man ihn mit einer Waffe bedrohen. Sein Kopf war auf die Brust gesackt, als wäre er eingeschlafen, aber wer schlief schon mit erhobenen Armen? Nur langsam drang die Erkenntnis zu Winters Verstand durch. Schneller ging es nicht, dafür war es einfach zu schrecklich.
    Der Typ stand nicht an der Tür, er lehnte auch nicht an der Tür. Er wurde von der Tür auf den Beinen gehalten. Man hatte ihn irgendwie daran befestigt, und seine Arme waren ausgestreckt wie… wie bei einer Kreuzigung. Und genau darum geht es hier, dachte Winter, während seine kribbelnden Lippen im Wettstreit mit seinem klopfenden Herzen und seinem bedrohlich brodelnden Verdauungstrakt um seine Aufmerksamkeit rangen.
    Gleichzeitig fiel ihm auf, dass Alex Shirley ihm zunickte, dass er ihn zur Tür winkte. Alle anderen traten beinahe ehrfürchtig beiseite. Er bemerkte die ernsten Gesichter und fragenden Blicke der anderen, er hörte auch, wie jemand etwas sagte, das er aber nicht verstand. Seine Wahrnehmung schrumpfte auf die Tür der Lagerhalle, stellte allein auf die Tür scharf, als würde er das Gleichgewicht verlieren, wenn seine Konzentration auch nur ein bisschen nachließ. Wie ferngesteuert holte er die Kamera aus der Tasche, blickte an sich herab und war beinahe überrascht, dass er sie in den Händen hielt.
    Als er sich der Tür näherte, sah er edle Schuhe und eine Anzughose, ein blassblaues Hemd mit offenem Kragen, keine Krawatte. Er sah zerrauftes dunkles Haar, das feucht oder verschwitzt gewesen und

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