Sniper
war, banden wir den Dummy an eine Stange und hielten ihn über das Dach, um eine Reaktion zu provozieren. In der Tat kamen einige Aufständische heraus, die wir prompt töteten.
Wir schlachteten sie einfach ab.
Manchmal waren wir als Sicherungsposten so erfolgreich, dass ich schon dachte, unsere Jungs auf der Straße würden etwas leichtsinnig werden. Einmal sah ich, dass sie sich in der Mitte der Straße bewegten statt seitlich, wo die Mauern und Vorsprünge ihnen Deckung boten.
Ich funkte sie an.
»Hey, geht von Deckung zu Deckung«, schimpfte ich.
»Wozu denn?«, antwortete einer meiner Zugkameraden. »Du sicherst uns doch.«
Das war vielleicht als Witz gedacht, aber ich nahm die Sache ernst.
»Das kann ich nur, wenn ich die Bedrohung auch sehe«, sagte ich. Wenn nichts aufblitzt oder sich bewegt, bekomme ich erst etwas mit, wenn ich Schüsse höre. Ich kann den Schützen also erst erwischen, nachdem er dich erschossen hat, aber das bringt dir dann auch nichts mehr.«
Als wir eines Abends zur Shark Base zurückkehrten, gerieten wir unvermittelt in ein Feuergefecht. Irgendwann kam eine Handgranate angeflogen, die in der Nähe einiger Kameraden explodierte.
Die Aufständischen rannten davon, wir richteten uns auf und setzten uns wieder in Bewegung.
»Brad, was ist mit deinem Bein?«, fragte einer aus dem Zug.
»Nichts«, sagte er. Es war blutverschmiert.
Später stellte sich heraus, dass ein Stück Metall in sein Knie eingedrungen war. Es tat damals vielleicht nicht weh (ich weiß allerdings nicht, ob das stimmt, weil seit Anbeginn der Schöpfung kein SEAL jemals über Schmerzen geklagt hat), aber als wir zur Shark Base zurückgekehrt waren, wurde schnell klar, dass die Verletzung ernster war als gedacht. Ein Granatsplitter hatte sich hinter seine Kniescheibe geschoben. Er musste operiert werden.
Kurz darauf wurde Brad auf dem Luftweg evakuiert, er war unser erstes Opfer in Ramadi.
Der ewige Gärtner
Unser Schwesterzug war für die Ostseite der Stadt zuständig und half der Army, dort COPs einzurichten. Und im Norden waren die Marines tätig, die Bereiche sicherten und sie von Aufständischen säuberten und anschließend verteidigten.
Als die Marines ein im Norden der Stadt gelegenes Krankenhaus einnehmen wollten, kehrten wir für einige Tage zu ihnen zurück und setzten unsere Zusammenarbeit fort.
Die Aufständischen verwendeten das Krankenhaus als Stützpunkt. Als die Marines ausrückten, erschien ein etwa 15- oder 16-jähriger Halbwüchsiger auf der Straße und baute sich mit einer Kalaschnikow auf, um sie anzugreifen.
Ich erschoss ihn.
Ein oder zwei Minuten später kam eine irakische Frau herbeigerannt, sah ihn am Boden liegen und riss sich die Kleider vom Leib. Sie war offensichtlich seine Mutter.
Ich hatte bereits gesehen, wie die Angehörigen der Aufständischen ihre Trauer zum Ausdruck brachten. Sie rissen sich die Kleider vom Leib oder rieben sich sogar mit dem Blut des Verstorbenen ein. Ich dachte bei solchen Szenen: Wenn du ihn wirklich geliebt hast, dann hättest du ihn nicht am Krieg teilnehmen lassen. Du hättest ihn davon abhalten sollen, ein Aufständischer zu werden. Du hast zugelassen, dass er uns töten wollte – was hast du denn gedacht, was wohl mit ihm passieren würde?
Es ist vielleicht grausam, aber es fällt schwer, für einen Trauernden Mitleid zu empfinden, wenn der Verstorbene versucht hat, dich zu töten.
Vielleicht wäre es der Frau umgekehrt genauso ergangen.
Die Leute zu Hause, vor allem die, die noch nie einen Krieg miterlebt haben, oder zumindest nicht diesen, scheinen manchmal das Verhalten der Soldaten nicht zu verstehen, die im Irak gedient haben. Sie sind überrascht, sogar schockiert, wenn sie hören, dass wir oft Witze über den Tod oder die Dinge rissen, die wir dort sahen.
Vielleicht erscheint das grausam oder taktlos. Unter anderen Umständen würde ich dem eventuell auch beipflichten. Aber in der Situation, in der wir uns befanden, erfüllte dies einen gewissen Zweck. Wir sahen und erlebten eine Menge schreckliche Dinge.
Und ich bin sicher, dass wir auf diese Weise Dampf ablassen wollten. Es war eine Strategie, um die Situation zu meistern. Wenn man eine schwierige Situation verarbeiten muss, fängt man an, Mittel und Wege zu suchen, um damit klarzukommen. Man lacht, weil man seinen Gefühlen freien Lauf lassen und sich irgendwie ausdrücken muss.
In jeder Operation konnten Leben und Tod auf surreale Weise miteinander verschmelzen.
Während
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