Sniper
Taya jeden Tag an, bevor ich schlafen ging. Weil ich aber die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbracht hatte, hatte ich nicht anrufen können.
Ich konnte nur einen Anruf tätigen, und den nutzte ich, um frei zu kommen.
Das wäre alles nicht weiter schlimm gewesen, wenn nicht eines der Kinder Geburtstag gehabt hätte und ich zu Hause erwartet worden wäre. Wegen des Gerichtstermins musste ich länger als geplant in Tennessee bleiben.
»Wo bist du?«, fragte Taya, als ich sie schließlich erreichte.
»Ich wurde verhaftet.«
»Na gut«, sagte sie kurz angebunden. »Mach doch, was du willst.«
Ich kann ihr nicht übel nehmen, dass sie wütend war. Mein Verhalten war nicht gerade verantwortungsvoll. Es war nur ein weiterer Tiefpunkt in einer recht stürmischen Zeit – und mit unserer Beziehung ging es steil bergab.
Taya:
Ich hatte mich damals nicht in einen Navy SEAL verliebt, sondern in Chris.
Ein SEAL zu sein, ist vielleicht cool und alles, aber das war nicht der Grund, weshalb ich ihn liebte.
Wenn ich geahnt hätte, was auf mich zukommen würde, hätte ich zumindest einen Anhaltspunkt gehabt. Aber ich wusste nicht, was mich erwartete. Niemand weiß das. Nicht wirklich – nicht im echten Leben. Und nicht jeder SEAL fährt von einem Auslandseinsatz zum nächsten, und das gleich mehrmals hintereinander.
Mit der Zeit wurde ihm seine Arbeit immer wichtiger. Er brauchte mich nicht, um eine Familie zu haben – dafür hatte er seine Kameraden.
Nach und nach erkannte ich, dass ich in seinem Leben nicht den obersten Stellenwert einnahm. Er behauptete das zwar, ließ aber seinen Worten keine Taten folgen.
Kämpfe und noch mehr Kämpfe
Ich würde mich nicht unbedingt als besonders versierten, zähen Kämpfer bezeichnen, aber ich geriet hin und wieder in Situationen, in denen ich mich bewähren musste. Ich folgte stets dem Grundsatz, mich lieber vermöbeln zu lassen, als vor meinen Jungs als Schwächling dazustehen.
Ich habe mehrmals mit Schlägern Bekanntschaft gemacht und ich glaube, ich kann von mir sagen, dass ich mich gut wehren konnte.
Als ich damals in meinem allerersten Zug diente, war das gesamte SEAL-Team einmal in Fort Irwin in San Bernardino, das in der Mojave-Wüste liegt. Nach unseren Trainingseinheiten zogen wir abends in die Stadt und besuchten eine Kneipe namens Library, also Bibliothek.
Dort feierten einige Polizisten und Feuerwehrleute, die gerade frei hatten. Einige der anwesenden Damen wurden auf uns aufmerksam. Das störte die Einheimischen natürlich, die sich sogleich mit uns anlegten.
Was keine gute Idee war, weil in dieser kleinen Bar etwa 100 von uns waren. 100 SEALs sind eine schlagkräftige Truppe, die man nicht unterschätzen sollte. Das ließen wir sie auch spüren. Anschließend verließen wir das Lokal und warfen noch einige parkende Pkws um.
Irgendwann tauchte die Polizei auf und verhaftete 25 von uns.
Sie haben vielleicht schon von der Institution des Disziplinargerichts gehört – der kommandierende Offizier erfährt vom Vergehen seiner Untergebenen und verhängt daraufhin eine Disziplinarmaßnahme, falls er selbige für gerechtfertigt hält. Die Strafen sind im Militärgesetz festgelegt und können von einem Verweis bis hin zu einer Degradierung und einem »Disziplinararrest« reichen – was genau das ist, wonach es auch klingt.
Ähnliche Anhörungen, wenn auch mit weniger schwerwiegenden Folgen, werden gleichermaßen von anderen Offizieren geleitet, die dem Rang nach unter dem kommandierenden Offizier stehen. In unserem Fall mussten wir vor den XO treten (den Executive Officer, der hierarchisch unmittelbar unter dem Kommandanten steht). Er erklärte uns in sehr geschwollener Sprache, in welchem Schlamassel wir nach rechtlichen Maßstäben wirklich steckten. In diesem Zusammenhang las er uns alle juristisch relevanten Anklagepunkte vor und welchen Schaden wir angerichtet hatten. Ich erinnere mich nicht mehr, wie viele Menschen verletzt wurden und auf welche Höhe sich die Schadenssumme belief, aber es dauerte seine Zeit, bis er alles vorgelesen hatte. Er schloss damit, dass er uns wissen ließ, wie sehr er sich für uns schämte.
»Na gut«, sagte er, als er fertig war. »Sehen Sie zu, dass das nicht wieder passiert. Und jetzt verschwinden Sie.«
Wir gingen und waren wirklich geknickt. Seine Worte beschäftigten uns sehr … etwa fünf Sekunden lang.
Aber die Geschichte ist hier nicht zu Ende.
Eine andere Einheit erfuhr von unserem kleinen Abenteuer und
Weitere Kostenlose Bücher