Sniper
einige andere Komplikationen, aber sie bekamen die Infektionen in den Griff, die sie so krank gemacht hatten, und sie erholte sich.
Wie sie auf mich reagierte, frustrierte mich damals extrem. Sie schien jedes Mal zu schreien, sobald ich sie im Arm hielt. Sie wollte zu ihrer Mutter. Taya sagte, dass sie auf alle Männer so reagierte – sobald sie eine männliche Stimme hörte, fing sie an zu schreien.
Was auch immer der Grund dafür war, es verletzte mich tief. Ich hatte alle diese Mühen auf mich genommen, um bei ihr zu sein, und sie lehnte mich ab.
Mit meinem Sohn war es besser, er erinnerte sich an mich, war mittlerweile etwas älter und eher dazu bereit, sich auf mich einzulassen. Und wieder wurden ganz alltägliche Ereignisse, die jedes Eltern- und Ehepaar erlebt, durch die Trennung und die Belastungen, die wir durchgemacht hatten, zu vermeintlich unlösbaren Problemen.
Schon Kleinigkeiten konnten mich auf die Palme bringen. Ich erwartete beispielsweise, dass mich mein Sohn ansah, wenn ich ihn tadelte. Taya störte das, weil sie fand, dass er weder an mich noch an meinen Tonfall gewohnt war und es von einem Zweijährigen zu viel verlangt war, seinen Vater in dieser Situation anzusehen. Aber ich sah das ganz anders. Es war richtig und er sollte es lernen. Er wurde nicht von einem Fremden gemaßregelt, sondern von jemandem, der ihn liebte. Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Ich sehe dich an, du siehst mich an – wir kommunizieren miteinander.
Taya sagte dann so etwas wie »Moment mal. Wie lange warst du weg? Und jetzt willst du plötzlich hier auf heile Familie machen und die Regeln bestimmen? Wohl kaum, vor allem, weil du in einem Monat sowieso wieder in den Krieg ziehst oder an einer Übung teilnimmst.«
Aus unserer individuellen Perspektive hatten wir beide recht. Das Problem war nur, die Meinung des anderen nachzuvollziehen und sie zu akzeptieren.
*
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich hatte keineswegs immer recht. Ich irrte mich sogar in einigen Dingen. In vielerlei Hinsicht musste ich erst lernen, ein Vater zu sein. Ich hatte zwar meine Vorstellungen vom Familienleben, aber die hatten mit der Realität nicht viel zu tun. Mit der Zeit musste ich daher etliche meiner Vorstellungen revidieren.
In gewisser Weise zumindest. Ich erwarte immer noch, dass meine Kinder mich ansehen, wenn ich mit ihnen rede. Und umgekehrt. Und Taya teilt meine Meinung diesbezüglich.
Mike Monsoor
Ich war etwa zwei Wochen zu Hause, als mich ein SEAL-Kamerad anrief und fragte, ob es Neuigkeiten gab.
»Nicht wirklich«, sagte ich.
»Wen habt ihr alles verloren?«, wollte er wissen.
»Wie?«
»Ich habe den Namen vergessen, aber ich habe gehört, ihr habt noch einen Mann verloren.«
»Verdammt!«
Ich beendete das Gespräch und rief sofort jeden an, den ich kannte. Schließlich erreichte ich jemanden, der Näheres wusste, obwohl er in jenem Augenblick nicht darüber reden konnte, weil die Familie des Betroffenen noch nicht unterrichtet worden war. Er sagte, er würde mich in Kürze zurückrufen.
Die Stunden vergingen wie in Zeitlupe.
Schließlich erfuhr ich, dass Mike Monsoor, ein Mitglied unseres Schwesterzugs, in Ramadi bei dem Versuch ums Leben gekommen war, mehrere seiner Kameraden zu retten. Die Gruppe befand sich als Sicherungsposten in einem Haus und ein Aufständischer kam nahe genug an sie heran, um eine Granate zu werfen.
Ich war zwar nicht dabei, aber laut der offiziellen Zusammenfassung des Vorfalls geschah Folgendes:
Die Granate traf ihn an der Brust und prallte auf das Deck [in diesem Fall die Navy-Bezeichnung für Boden]. Er sprang sofort auf und rief »Granate«, um seine Kameraden auf die akute Gefahr hinzuweisen, aber sie konnten das Scharfschützenversteck nicht rechtzeitig verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Ohne Zögern und ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben warf er sich auf die Granate, um seine sich in unmittelbarer Nähe befindenden Kameraden zu schützen. Die Granate detonierte, als er auf ihr lag, und fügte ihm Verletzungen zu, die seinen Tod zur Folge hatten.
Das Handeln von Petty Officer Monsoor hätte nicht selbstloser und vorbildlicher sein können. Von den drei SEALs, die sich in jener Ecke des Flachdachs befanden, stand nur ihm der Fluchtweg frei und er hätte ohne Weiteres fliehen können, wenn er dies gewollt hätte. Stattdessen zog Monsoor es vor, seine Kameraden zu schützen und sein eigenes Leben zu opfern. Durch sein mutiges und selbstloses Tun rettete er zwei
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