Sniper
undankbarer Job. Bislang war ich in der Lage gewesen, ihn zu vermeiden, aber offenbar ließen meine Ninja-Fähigkeiten mich nun im Stich. Also ging ich los ans andere Ende der Stadt, in die Grüne Zone. (Die Grüne Zone war ein Abschnitt der Innenstadt Bagdads, der als sicherer Bereich für die Alliierten und die neue irakische Regierung geschaffen worden war. Sie war vom Rest der Stadt durch Betonmauern und Stacheldraht abgetrennt und es gab nur wenige Zu- und Ausgänge, die streng kontrolliert wurden. Die Botschaften der USA und der Alliierten waren hier untergebracht, ebenso die irakischen Regierungsgebäude.)
Das ging genau eine Woche lang gut.
Die sogenannten irakischen Beamten waren dafür berüchtigt, ihren Begleitern nicht mitzuteilen, was auf ihrem Tagesplan stand bzw. uns Informationen darüber vorzuenthalten, wer mit ihnen unterwegs sein würde. Angesichts der hohen Sicherheitsstufe, die in der Grünen Zone herrschte, war das ein echtes Problem.
Ich fungierte als Vorhut. Das bedeutete, dass ich vor dem offiziellen Konvoi herfuhr, dafür sorgte, dass die Route sicher war, und mich vorab an den Checkpoints postierte, um die Fahrzeuge des Konvois gegenüber den Wachen anzukündigen und zu identifizieren. Auf diese Weise konnten die irakischen Fahrzeuge die Checkpoints zügig durchfahren, ohne zur Zielscheibe von Angriffen zu werden.
Eines Tages bildete ich die Vorhut für einen Konvoi, in dem der irakische Vizepräsident mitfuhr. Ich hatte die Route schon ausgekundschaftet und erreichte soeben einen Checkpoint der Marines, der kurz vor dem Flughafen lag.
Dieser befand sich jenseits der Grünen Zone am anderen Ende der Stadt. Die Anlage selbst ist zwar sicher, der umliegende Bereich und die Straße, die zum Zufahrtstor führte, wurden jedoch gelegentlich beschossen. Der Flughafen war ein wichtiges Ziel für die Terroristen, da den Aufständischen natürlich bewusst war, dass jeder, der hinein- oder hinausging, irgendetwas mit den Amerikanern oder der neuen irakischen Regierung zu tun haben musste.
Ich stand mit einem der Jungs im Konvoi in Funkverbindung, der mich darüber informierte, wer in der Gruppe mitfuhr, wie viele Fahrzeuge unterwegs waren und so weiter. Er teilte mir mit, dass am Anfang und am Ende des Konvois jeweils ein Army-Hummer fuhr – eine nützliche Information, die ich an die Wachleute weitergeben konnte.
Der Konvoi kam angeschossen, ein Hummer vorneweg. Wir zählten die Fahrzeuge und siehe da, ein zweiter Hummer bildete das Schlusslicht.
So weit, so gut.
Plötzlich erschienen zwei weitere Fahrzeuge, die sich dem Konvoi in hohem Tempo von hinten näherten.
Die Marines sahen mich an.
»Die gehören nicht zu mir«, sagte ich.
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
»Rückt mit eurem Hummer aus und richtet das .50er auf sie«, rief ich und zückte mein M-4.
Mit angelegter Waffe sprang ich auf die Straße und hoffte, sie würden das zur Kenntnis nehmen.
Sie hielten nicht an.
Hinter mir hatte der Hummer Position bezogen und der Schütze war einsatzbereit. Da ich mir immer noch nicht sicher war, ob ich es mit einer geplanten Entführung zu tun hatte oder mit Fahrzeugen, die sich einfach nur verfahren hatten, gab ich einen Warnschuss ab.
Das half, die Fahrzeuge drehten ab und suchten das Weite.
Eine verhinderte Entführung? Selbstmordattentäter, die den Mut verloren hatten?
Nein. Es stellte sich heraus, dass es sich um zwei Freunde des Vizepräsidenten handelte. Er hatte allerdings vergessen uns mitzuteilen, dass sie sich dem Konvoi anschließen würden.
Er war nicht allzu erfreut. Meine Befehlsleitung übrigens auch nicht. Ich wurde meiner Tätigkeit als Leibwächter entbunden, was nicht sonderlich schlimm gewesen wäre, wenn ich nicht auch noch die darauf folgende Woche in der Grünen Zone mit Nichtstun hätte verbringen müssen.
Meine unmittelbaren Vorgesetzten innerhalb des Zugs versuchten zwar, mich umgehend wieder für unsere Kampfeinsätze anzufordern. Die Befehlsleitung hatte allerdings beschlossen, mir eine Lektion zu erteilen, sodass ich weiter Däumchen drehen musste. Das ist die größte Folter für einen SEAL – im Krieg zu sein und nicht daran teilnehmen zu können.
Zum Glück dauerte diese Tortur nicht allzu lange.
Haifa Street
Im Dezember 2005 bereitete sich der Irak auf die anstehende Parlamentswahl vor, die erste seit dem Sturz Saddams – die ersten freien, demokratischen Wahlen, die jemals in diesem Land abgehalten wurden. Die Aufständischen
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