Snobs: Roman (German Edition)
hinausgehenden Salon im ersten Stock, wo die Kollektion vorgeführt werden sollte.
Zu solchen Veranstaltungen frühzeitig zu kommen bringt keinen echten Vorteil, da alle Plätze namentlich vergeben werden, doch Adela und Louisa hatten genug Gesprächsstoff, um sich die Zeit zu vertreiben, und als man sie zu ihren Stühlen geführt hatte, auf denen mit fließender Handschrift »Lady Louisa Shaw & Freundin« vermerkt war, waren sie bald in ihre eigenen Geschichten vertieft und nahmen vom Rest des sich rasch füllenden Raums nichts mehr wahr. Sie hatten einen guten Platz am Ende des Laufstegs auf der Schmalseite des Raums, in der Nähe der Tür zum Treppenhaus; deshalb konnten sie nicht nur den Laufsteg selbst in voller Länge überblicken, sondern auch den größten Teil der anderen Plätze. Als zum Zeichen des baldigen Beginns die Lichter angingen, blickte Adela hoch und sah überrascht, dass in der entgegengesetzten Ecke des Raums in der letzten Reihe Edith Broughton saß, gegenüber der Tür, durch die die Models hereinkommen würden. Es berührte sie merkwürdig, dass Edith sie nicht begrüßt hatte, da sie dicht an ihnen vorbeigegangen sein musste, um zu ihrem Platz zu gelangen. Auch jetzt zeigte sie mit keiner Geste, dass sie Adela erkannt hatte, obwohl sie zu ihr herübersah. Ich fürchte, dies ließ auf die Behandlung schließen, die Edith in den letzten Monaten hatte hinnehmen müssen, doch Adela, für die auch nur die leiseste Andeutung von Unfrieden ein Gräuel ist, lächelte sofort und winkte, und Edith winkte – vielleicht erleichtert – zurück.
Die Gespräche verstummten bereits erwartungsvoll, als an der Tür noch einmal Unruhe aufkam. Adela drehte sich um und sah eine der Prinzessinnen den Raum betreten – und in ihrem Gefolge Lady Uckfield. Sie lächelten entschuldigend und schlängelten sich zu den beiden für sie in der ersten Reihe reservierten Plätzen am Ende des Laufstegs durch, an meiner Frau und Louisa vorbei. Als sie sich gesetzt
hatten, sah Adela wieder zu Edith hinüber, die den Blick starr auf ihre Schwiegermutter richtete. Der Gegensatz zwischen den beiden Frauen entging Adela nicht, ein Gegensatz, den auch Edith schmerzhaft spüren musste. Sie saß mit ihrer zu stark geschminkten Freundin in der letzten Reihe und würde gleich Kleider sehen, an deren Kauf für sie nicht ernsthaft zu denken war. Zwei Reihen weiter vorn saß die Dame, an deren Stelle sie selbst hätte sein können, neben sich ein Mitglied der königlichen Familie, von jeder anderen Frau im Raum beneidet. Die Musik setzte ein, Copacabana Rock, angesichts des Alters der meisten Kundinnen eine überraschende Wahl. Adela warf einen Blick ins Programm, um die Beschreibung der ersten Präsentation zu überfliegen. Drei Models erschienen; in ihren eleganten Händen hielten sie Plastikscheiben, auf denen die Nummer des getragenen Modells notiert war. Die Show hatte begonnen.
So verging eine lebhafte Stunde, in der die Zuschauerinnen gnadenlose Kommentare zu den Ensembles abgaben, die an ihnen vorüberzogen. »Reizend für Spanien«, »Was für eine eigenartige Farbe, ich frage mich, ob das Modell auch in Crème erhältlich ist«, »Hübsches Kleid am falschen Model« und ähnliche Sätze drangen gut hörbar durch den Raum, während die Mädchen ungerührt vorbeisegelten. Von Zeit zu Zeit kam Heiterkeit auf, wenn eines der Models die Nummernscheibe fallen ließ (die inzwischen abgeschafft wurden, vielleicht aus diesem Grund) oder mit einer anmutig trudelnden Bewegung stolperte, aber das waren seltene Zwischenfälle in einer Show, in der alles lief wie am Schnürchen. Doch Adela war abgelenkt. Jedes Mal, wenn sie zu Edith hinübersah, bemerkte sie, dass ihr Blick nicht auf den Laufsteg, sondern auf den Hinterkopf ihrer Schwiegermutter fixiert war, die von Ediths Anwesenheit nichts ahnte, Notizen auf ihr Programm kritzelte und mit ihrer erhabenen Begleiterin flüsterte.
Die Kollektion war präsentiert und das Publikum erhob sich mit seinen Notizen und Eindrücken zum Aufbruch. Man wich auseinander, damit Ihre Königliche Hoheit, der Lady Uckfield folgte, ungehindert zum Ausgang gelangen konnte. Adela machte mit wohlerzogener Zurückhaltung nicht auf sich aufmerksam, aber es ergab sich,
dass die Prinzessin Louisa erkannte, und im selben Moment sah Lady Uckfield meine Frau. Also wurde sie vorgestellt, machte ihren Knicks und die Menge trat ehrfürchtig beiseite, damit die vier ungestört blieben. Es entwickelte sich ein
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