Snobs: Roman (German Edition)
überhaupt mit Personen außerhalb ihrer Kreise abgeben, dann halten sie sich an Künstler oder Sänger oder Menschen, die sie zum Lachen bringen. Der zweite Grund betraf mehr Charles persönlich. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, er würde David keineswegs dafür schätzen, dass er Edith fallen ließ, mochte ihr Verhalten noch so schäbig sein.
Doch ich beugte mich Davids Drängen und Adelas ursprünglichem Vorschlag und rief am Abend tatsächlich in Broughton an. Jago, der Butler, informierte mich, dass Charles in London sei, doch als ich mich schon verabschieden wollte, hörte ich, wie an einer Nebenstelle abgehoben wurde; es meldete sich Lady Uckfield.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie. »Ich bin neulich Ihrer hübschen Frau über den Weg gelaufen.« Ich erwiderte, dass ich dies wisse. »Werden wir einmal das Glück haben, Sie in dieser Gegend zu sehen? Das möchte ich doch hoffen.« Sie hatte wieder jenen vertraulichen Ton, die Stimme des »Mädchens mit einem Geheimnis«, die ich als ihre Art des sozialen Umgangs kennen und schätzen gelernt hatte.
»Wir sind sogar ganz in der Nähe. Bei den Eastons. Ich wollte einfach nachfragen, ob Charles da ist.«
»Wir erwarten ihn morgen Abend zurück. Was haben Sie abends vor? Wahrscheinlich können Sie nicht weg?« Die herzlose Frage kam ihr ohne die leisesten Skrupel über die Lippen. Wusste sie, dass David sein Herzblut dafür geben würde, zu ihren Stammgästen zählen zu dürfen? Wahrscheinlich.
»Eigentlich nicht«, sagte ich.
Ihr Verschwörerton wurde noch intimer. »Können Sie nicht reden?«
»Eigentlich nicht«, sagte ich wieder und warf einen Blick über die Schulter zu David, der am Kamin stand und mich wie ein Habicht beäugte.
»Wie wäre es zum Tee? Dafür können Sie doch sicher kommen?«
»Wahrscheinlich schon«, sagte ich immer noch ziemlich ausweichend.
»Und bringen Sie Ihre nette Frau mit.« Sie legte auf.
David war bitter enttäuscht, dass der Anruf nicht zu der auch Isabel und ihn einschließenden Einladung geführt hatte, mit der er insgeheim gerechnet hatte. Er schlug verdrossen vor, noch einmal anzurufen und die Uckfields stattdessen zum Dinner herzubitten, doch Isabel, wie immer die Vernünftigere, verwahrte sich dagegen. »Ich glaube, sie möchten ein bisschen über Edith und alles plaudern. Daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen.« Vielleicht begriff er, dass es wenig Sinn hätte, uns an einer Erneuerung des Kontakts mit dem Hohen Haus zu hindern, wenn dies doch das ganze Ziel seiner Einladung gewesen war, und so lenkte er schließlich ein und ließ uns zum Tee nach Broughton fahren, allerdings sollten wir eine Einladung für Drinks am Sonntagvormittag überbringen.
18
An diesem Wochenende waren etwa sechs, sieben Personen bei den Broughtons zu Gast, das heißt die übliche Anzahl. Ich erkannte Lady Tenby wieder, die mir sehr liebenswürdig zunickte, und eine Cousine der Familie, die ich einige Male bei Charles und Edith in London getroffen hatte. Ich wusste damals nicht, dass es mit Clarissa Marlowes Anwesenheit etwas Besonderes auf sich hatte, doch wir bemerkten, dass sie fast wie eine Gastgeberin auftrat; sie achtete darauf, dass es uns an nichts fehlte, dass wir ein Sandwich bekamen und so weiter; rückblickend vermute ich, dass sie sich dadurch von den gewöhnlichen Gästen abhob. Die anderen, Männer in Kordhose und Pullover, Frauen im Rock und bequemen flachen Schuhen, sahen von ihren jeweiligen Betätigungen kaum auf, als wir hereinkamen – sie lasen, unterhielten sich, streichelten die Hunde oder rösteten Toastscheiben am Kaminfeuer.
Die Uckfields dagegen hätten nicht beflissener sein können. Sie erkundigten sich nach Neuigkeiten, plauderten über die Modenschau, ließen sich über einen Film aus, in dem sie mich gesehen hatten, holten Gebäck, schenkten Tee nach, bis es allen anderen Anwesenden im Raum genauso klar sein musste wie uns, dass wir eine Rolle in einem ausgeklügelten Plan übernehmen sollten. Normalerweise hat man auf einem englischen Landsitz bei Gästen wie Gastgebern mit einem mäßig liebenswürdigen Mangel an Interesse zu rechnen. Die Gäste lungern herum, lesen Zeitschriften, machen Spaziergänge, legen sich in die Badewanne, schreiben Briefe und lassen einander mehr oder weniger in Ruhe. Nur beim Essen, und dann eigentlich nur beim Dinner, wird gepflegte Unterhaltung erwartet. Dieses Fehlen jeglichen Bemühens – beim Eintreten einer Person wird kaum der
Kopf von der Lektüre
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