Snobs: Roman (German Edition)
Stilmöbeln, den Rüschenvolant-Tischchen, den Chintzsofas und den voluminösen Kissen saßen. Gleich nachdem wir ausgepackt, gebadet und einen Aperitif bekommen hatten, wurden die wahren Gründe der Einladung klar.
»Geht ihr nach Broughton rüber, solange ihr hier seid?«, wollte David wissen.
Ich sah Adela an. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt da sind. Wir dachten, wir könnten ja mal anrufen.«
»Gut«, sagte David. »Gut.« Er machte eine Pause. »Grüß auf jeden Fall Charles von uns, wenn du mit ihm redest.«
Daher also wehte der Wind. Ich hätte von selbst darauf kommen können. In welcher Situation waren die Armen aber auch! Jahrelang hatten sie es nicht geschafft, Beziehungen irgendwelcher Art zur ortsansässigen Adelsfamilie zu knüpfen, was sie fast zum Wahnsinn trieb. Dann, Wunder über Wunder, heiratet ihre Freundin den Erben. Sie beginnen, Stückchen für Stückchen in die besseren Kreise der Grafschaft vorzudringen. Sie machen gerade ein paar Fortschritte bei den Sir William Fartleys dieser Welt, als, rumms, ein Skandal ausbricht. Edith, ihre Freundin, die Frau, die von den Eastons überhaupt erst in diese Gegend gebracht wurde (sie hatten sicher kein Geheimnis aus der Rolle gemacht, die sie dabei gespielt hatten), läuft plötzlich mit einem Schauspieler auf und davon, bringt Schande über die Familie und enttäuscht den armen, lieben Charles ganz fürchterlich. Damit sind David und Isabel Easton natürlich weg vom Fenster.
Ich fände es sehr hartherzig, kein Mitgefühl für die so schwer Gebeutelten aufzubringen, auch wenn ihre Ziele der Würde entbehrten.
Es ist einfach, sich über die Ambitionen anderer lustig zu machen – vor allem, wenn diese Ambitionen so oberflächlich sind –, doch die meisten von uns haben in irgendeinem Bereich des Lebens einen solchen Dornenpfad beschritten, der die Bedeutung nicht wert ist, die wir ihm verleihen. Es ist vermutlich schwer, in einer kleinen Gemeinschaft zu leben und sich damit abfinden zu müssen, dass man aus der ersten Reihe ausgeschlossen ist. Dies treibt so viele Menschen, die am Gesellschaftsleben teilnehmen möchten, in die Städte zurück, wo die Grenzen durchlässiger sind und sich durchaus Gelegenheiten bieten. Wo doch die Eastons dem großen Preis – zumindest in ihrer Einbildung – schon so nahe gewesen waren!
David fuhr fort: »Ich fürchte, es ist schlicht und einfach so, dass sich unsere liebe Edith schauerlich danebenbenommen hat.«
Wir alle, einschließlich Isabel, nahmen dies mit Schweigen auf. Sogar Adela (die, wie ich wusste, diese Einschätzung von ganzem Herzen teilte) schien nicht gewillt, sich in Ediths Abwesenheit auf Davids Seite zu schlagen. »Na, ich weiß nicht«, sagte ich.
»Also wirklich!« David war empört. »Ich bin überrascht, dass du sie auch noch verteidigst.«
»Ich verteidige sie nicht«, sagte ich. »Ich sage nur, dass man es nicht ›weiß‹. Man weiß nie etwas über das Leben anderer Menschen. Jedenfalls nicht wirklich.«
Diese Binsenwahrheit stimmt nicht ganz. Man weiß in der Tat etwas über das Leben anderer. Ich wusste sogar ziemlich viel über Charles’ und Ediths Leben, doch selbst wenn ich mir hier eine gewisse Unehrlichkeit zuschulden kommen ließ, war an meinen Worten doch etwas Wahres. Ich bin nicht überzeugt, dass man je genug wissen kann, um einen Menschen von Grund auf zu verdammen.
Isabel wollte Frieden stiften: »Ich glaube, David meint auch nur, dass uns der arme Charles so Leid tut. Es kommt uns nicht vor, als hätte er so etwas verdient. Zumindest nicht von unserer Warte aus.«
Dem stimmten wir alle zu, dennoch war es offensichtlich, dass David sich von Edith distanzieren wollte. Er hoffte, wenn er seine Entrüstung jemandem zeigte, der in Broughton darüber berichten
würde, dann könnte er damit punkten und würde wieder auf der Gästeliste erscheinen. Oder überhaupt erst auf die Gästeliste gesetzt werden – er täuschte sich nämlich, wenn er sich einbildete, er wäre während Ediths Herrschaft in die Zitadelle eingedrungen.
Meiner Meinung nach waren seine Hoffnungen aus zwei Gründen illusorisch. Erstens war er einfach nicht Charles’ Fall. Englische Aristokraten schätzen in der Regel keine Imitate ihrer selbst aus der oberen Mittelschicht. Emporkömmlinge dieses Typs langweilen schrecklich, da sie nur sattsam Bekanntes bieten, gleichzeitig aber das Wohlig-Ungezwungene echter Vertrautheit vermissen lassen. Wenn Angehörige der Oberschicht sich
Weitere Kostenlose Bücher