Snobs: Roman (German Edition)
schweigend. »Er braucht eine Frau, die ihn nicht nur als Person schätzt, sondern auch seine Position, seine Rolle. Was beide als Paar darstellen. Er hat nicht das Format, in seinem eigenen Haus eine zweite Lebenseinstellung gelten zu lassen. Er könnte nicht mit einer sozialistischen Opernsängerin verheiratet sein und sie wegen ihrer andersartigen Ansichten respektieren. So etwas ist ihm nicht gegeben.«
»Edith wohl auch nicht«, sagte ich.
»Edith hat die Vorstellung eines Lebens geheiratet, die sie sich aus Romanen und Zeitschriften zusammengebastelt hat. Sie dachte, dieses Leben würde aus Reisen und Modeschauen und Treffen mit Mick Jagger bestehen. Sie sah sich schon Partys für Prinzessin von Kent in Mauritius geben …« Sie zuckte mit den Achseln. Ich war tief beeindruckt, dass sie von Mick Jagger gehört hatte. »Ich weiß nicht, ob es überhaupt Leute gibt, die so leben. Vielleicht. Allerdings weiß ich, dass Charles nie so leben wird. Seine ganze Existenz richtet sich nach dem Bauernkalender. Die nächsten fünfzig Jahre wird er jagen und das Land bestellen und das Land bestellen und jagen und drei Wochen im Juli ins Ausland fahren. Er wird sich Sorgen um die Pächter machen und sich mit dem Pfarrer anlegen und versuchen, von der Regierung einen Zuschuss für die Erneuerung der Elektroleitungen im Ostflügel zu bekommen. Und seine Freunde werden mit sehr wenigen Ausnahmen ebenfalls Leute sein, die ihr Dach neu decken
und das Land bestellen und jagen und versuchen, von der Regierung Subventionen und Steuervergünstigungen zu ergattern. So sieht seine Zukunft aus.«
»Und Sie sind sicher, dass das nie Ediths Zukunft sein könnte?«
»Sie nicht?«
Ich konnte mich erinnern, wie Edith auf der Jagdgesellschaft in Broughton vor Langeweile umkam und Abend für Abend schmollend Tiggers Geschichten und Googies Charme über sich ergehen ließ. Doch Lady Uckfield wusste natürlich nicht, was ich zumindest stark vermutete: wie gelangweilt und deprimiert Edith von ihrem neuen Leben war. Ich dachte daran, wie sie auf Fiona Greys Party wie eine preisgekrönte Zuchtkuh vorgeführt worden war. Lady Uckfield deutete mein Schweigen als Zustimmung und wurde etwas herzlicher. »Es ist nicht allein ihre Schuld. Das sehe sogar ich. Diese schreckliche Mutter hat ihr einen Haufen Barbara-Cartland-Blödsinn in den Kopf gesetzt. Wie hätte sie dagegen ankommen sollen?«
»Die arme alte Mrs. Lavery«, sagte ich. Lady Uckfield verzog fast unmerklich die Miene und erschauerte leise. Und mit ihr hatte Mrs. Lavery vornehm lunchen und Modistinnen besuchen wollen!
»Ich bin kein Snob«, begann Lady Uckfield, aber das überstieg nun doch meine Kräfte und ich konnte nicht verhindern, dass sich zumindest eine meiner Augenbrauen hob. Sie versuchte, mich zurechtzuweisen. »Überhaupt nicht! Ich weiß, dass Leute erfolgreich nach oben heiraten können. Ich habe viele Freunde ganz unterschiedlicher Herkunft. Wirklich!« Sie war ehrlich entrüstet. Vermutlich glaubte sie selbst, was sie da sagte.
»Wen denn?«, erkundigte ich mich.
Sie dachte kurz nach. »Susan Curragh und Anne Melton. Ich habe sie beide sehr gern. Wagen Sie bloß nicht zu widersprechen!« Sie hatte eine steinreiche amerikanische Erbin genannt, die nun die Gattin eines ziemlich langweiligen jüngeren Ministers war, sowie die Tochter eines Textilmillionärs, die einen verarmten irischen Earl geheiratet und damit auf die gesellschaftliche Landkarte befördert hatte. Ich kannte keine der Frauen, doch mir war himmelangst um Edith, wenn
Lady Uckfield sie für gelungene Beispiele einer »Heirat nach oben« hielt. »Sie glauben mir nicht, ich weiß, aber ich wurde dazu erzogen, nicht in Klassenbegriffen zu denken.«
Das Interessante daran war, dass Lady Uckfield diese Behauptung bedenkenlos unter der Kontrolle eines Lügendetektors hätte machen können; in Wahrheit war sie natürlich dazu erzogen worden, in nichts anderem als in Klassenbegriffen zu denken, und dieser Erziehung weitgehend (wenn nicht völlig) treu geblieben. Sie fuhr fort: »Das Wichtige ist nicht Ediths Klassenherkunft, was immer das bedeuten mag, sondern die schlichte Tatsache, dass ihr der Job keinen Spaß macht. Sie und ihre grässliche Mutter sind ›Londoner Ladys‹. Lunch beim Nobelitaliener, Tanz auf Wohltätigkeitsbällen und ein Sonnenurlaub im Winter – das sind ihre Wünsche. Aber ein Haus wie Broughton oder Feltham zu führen ist eine reine Schinderei, wenn der Lack erst einmal abgeblättert
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