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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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abgelegt, um mir bald vergeben zu können, dass ich sie in diesem Zustand gesehen hatte. Das Ganze wurde noch dadurch verschlimmert, dass ich ihre Augen feucht werden sah, und unter meinem entsetzten Blick begann eine einzelne Träne, erstaunt über ihre Freilassung aus einem Tränengang, in dem sie zwanzig Jahre lang gefangen war, langsam ihre sorgfältig gepuderte Wange herunterzurollen.
    Lady Uckfield stand auf und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Aber helfen Sie ihr nicht.« Ihre Stimme klang beschwörend, hatte aber nichts mehr von dieser mädchenhaften Pseudodringlichkeit mit dem Unterton »Sag’s bloß Papa nicht«, die ich von ihr gewöhnt war. Dies war ein Verzweiflungsschrei. »Ermutigen Sie sie nur nicht. Das ist alles, worum ich Sie bitte. Um ihrer selbst willen genauso sehr wie wegen Charles. Sonst werden nur beide unglücklich.«
    Ich nickte und versicherte ihr alles, wozu ich mich imstande fühlte, dankte ihr für den Tee und sah, wie sie sich vor meinen Augen zusammenriss. Und als ich in Richtung Ausgang um die Ecke bog, konnte sie mir wieder so gefasst zuwinken, als säße sie in der königlichen
Loge in Ascot. Ich allerdings hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich Edith sagen sollte.
     
    »Du hast natürlich Recht. Sie will nicht, dass ihr euch trefft.«
    »Das hab ich dir doch gesagt.«
    »Trotzdem sehe ich nicht ganz, wie sie es verhindern kann.«
    »Sie wird ihn wieder wegschicken. Nach Amerika. Zu Pferdeauktionen oder sonst was. Sie wird das über ihre Freunde arrangieren. Die sind überall.«
    »Klingt wie Watergate.«
    Sie stieß ein kurzes, hartes Lachen aus. »Du denkst wohl, du machst Witze.«
    »Jedenfalls kann er nicht ewig in Amerika bleiben«, sagte ich. »Du musst es einfach weiter versuchen. Ich glaube nicht, dass er dir aus dem Weg gehen wird, wenn du ihn ausfindig machst. Wirklich nicht. Du musst nur den richtigen Augenblick abpassen.«
    »Dazu habe ich keine Zeit«, sagte Edith.
    Etwas in ihrem Ton hielt mich davon ab, nach einer weiteren Erklärung zu fragen, und ich muss gestehen, dass ich diese Bemerkung bewusst verdrängte. Ich wollte mich wohl nicht damit auseinander setzen und schon gar nicht Adela einweihen, vielleicht, weil ich das Gefühl hatte, es könnte alles oder nichts bedeuten. Falls es alles bedeutete, warum sollte ich eine Verbreitung der Nachricht riskieren? Und wenn es nichts bedeutete, konnte ich es genauso gut vergessen.
    Wir schwiegen einen Moment; Edith war sich vielleicht nicht bewusst, dass sie mehr gesagt hatte als beabsichtigt. Oder sie überlegte, wie sie ihre Bemerkung abschwächen könnte, ohne noch einmal ausdrücklich darauf zurückzukommen.
    »Was hast du nun für Pläne?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie.

21
    Sie wusste es wirklich nicht. Es kam ihr selbst verrückt vor, aber sie hatte tatsächlich keine Ahnung, wie sie mit ihrem eigenen Mann Kontakt aufnehmen könnte. Was manche überraschen wird: Edith vermutete zunächst, dass entweder Sotheby’s oder Christie’s sie aus dieser peinlichen Lage retten würde. Die Öffentlichkeit ist sich dessen nicht bewusst, doch in den letzten zehn Jahren sind die Sommerpartys der beiden großen Auktionshäuser in vieler Hinsicht zu den Höhepunkten des Londoner gesellschaftlichen Kalenders geworden, eine Gelegenheit für die echte crème de la crème im Gegensatz zur allgegenwärtigen Kaffeehausgesellschaft, sich zu treffen, bevor man sich im Sommer in alle Winde zerstreut. Edith wusste, dass Charles wie auch Googie zu beiden Partys gehen würden. Sogar Tigger war zur mühsamen Fahrt nach London bereit, um seine Bekanntschaft mit den Angehörigen seiner Schicht aufzufrischen. Es war eine angenehme jährliche Pflicht, die ein großer Teil des Hochadels fröhlich auf sich nahm, ein Anlass wie früher der Eröffnungstag der Sommerausstellung in der Royal Academy of Arts. Dort wäre Charles zu finden und Edith würde ihn abpassen. Das einzige Problem war, dass die Tage vergingen; jeden Vormittag fielen die Umschläge auf den Türvorleger, aber die erforderlichen weißen Eintrittskarten mit ihrer geprägten Kursivschrift waren nicht darunter. Um Charles vor Verlegenheit oder Lady Uckfield vor Unbehagen zu bewahren (niemand konnte auf die Idee kommen, dass Lord Uckfield Ediths Gegenwart überhaupt bemerken würde) – aus welchen Gründen auch immer – war die Countess Broughton von der Gästeliste gestrichen worden. Sie wurde zu keiner der beiden Veranstaltungen eingeladen.
    Schließlich

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