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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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richtig eingeschätzt, als sie ihm dieses falsche Bild vorspiegelte. Ein fleißiger Büroangestellter, der sich eine Monatskarte für die U-Bahn kauft, roch nach petit bourgeois , ein Geschäftsmann mit ständigem Jetlag dagegen passte besser in Charles’ Weltbild.
    Die Zeit verging, und der Club füllte sich.
    »Charlie!« Edith blickte auf und sah eine hübsche Brünette mit einem rasant geschnittenen, paillettenbesetzten Cocktailkleid auf sie zukommen. Als Begleiter oder vielmehr im Schlepptau hatte sie ein Walross. Der Koloss trug einen Anzug, der einen ganzen Ballen Kammgarn verschlungen haben musste, und eine große getupfte Fliege. Als die beiden ihren Tisch erreichten, bemerkte Edith die Rinnsale von Schweiß, die ihm ständig hinter den Ohren über den feisten roten Nacken liefen.
    »Jane. Henry.« Charles erhob sich und deutete auf Edith. »Kennt ihr Edith Lavery? Henry und Jane Cumnor.« Jane erfasste kurz und schlaff Ediths Hand, dann wandte sie sich wieder an Charles, setzte sich und goss sich ein Glas Wein ein.
    »Ich bin wie ausgedörrt. Wie geht’s dir? Was war denn in Ascot mit dir los?«
    »Nichts. Ich war dort.«
    »Ich dachte, wir würden uns am Donnerstag alle zum Lunch treffen. Mit den Weatherbys. Wir haben ewig nach dir gesucht und schließlich aufgegeben. Camilla war bitter enttäuscht.« Sie lächelte Edith affektiert zu, dem Anschein nach eine Einladung, sich mit ihnen über Camilla zu amüsieren. In Wirklichkeit schloss sie Edith damit gezielt aus.
    »Die Enttäuschung hätte sie sich sparen können. Ich habe ihr und Anne gesagt, dass ich am Donnerstag mit meinen Eltern essen muss.«
    »Das hatten sie natürlich völlig vergessen. Jetzt spielt es ja keine Rolle mehr. Übrigens – sag mal, fährst du im August zu Eric und Caroline? Sie sind absolut überzeugt, dass du kommst, aber das sieht dir gar nicht ähnlich.«
    »Warum denn nicht?«
    Jane zuckte in einer trägen, wellenförmigen Bewegung mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht. Ich dachte, du hasst die Hitze.«
    »Ich habe mich noch nicht entschlossen. Fahrt ihr denn?«
    »Wir wissen es noch nicht, stimmt’s, Liebling?« Sie streckte den Arm nach ihrem schnaufenden Gatten aus und knetete seine teigige Hand. »Wir sind in Royton mit allem so in Verzug. Seit Henry in die
Politik gegangen ist, waren wir kaum zu Hause. Ich habe das schreckliche Gefühl, wir sitzen vielleicht den ganzen Sommer dort fest.« Wieder zog sie ihr Lächeln in die Breite, um Edith einzuschließen.
    Edith erwiderte Janes Lächeln. Sie war schon an dieses seltsame Bedürfnis eines Teils der Oberschicht gewöhnt, ständig vorzuführen, dass man einander kennt und mit denselben Leuten dieselben Dinge unternimmt. Hier hatte sie es vielleicht mit einem Fall besonders verbissener Abschottungsmentalität zu tun, aber wenn sie Lord Cumnor alias Henry das Walross ansah, konnte sie unschwer erkennen, dass Jane für ihre wie auch immer geartete Position einschneidende Opfer gebracht hatte. Da würde es ihr umso schwerer fallen, diese Position auch nur kurz als etwas Unwichtiges in den Hintergrund zu stellen.
    »Sind Sie sehr in der Politik engagiert?«, wandte sich Edith an Henry, der sich immer noch von der Anstrengung zu erholen schien, die ihm das Durchqueren des Raums abgefordert hatte.
    »Ja«, sagte er und drehte sich wieder den anderen zu.
    Henry hatte Edith zunächst beinahe Leid getan, doch sie erkannte rasch, dass dafür kein Anlass bestand. Er war sehr mit sich zufrieden. Und ließ nur allzu gern heraushängen, dass er Charles kannte, aber Edith nicht. Charles duldete jedoch nicht, dass die Cumnors zu der Dame, die er zum Essen eingeladen hatte, unhöflich waren, deshalb lenkte er das Gespräch demonstrativ auf sie und ihre Frage zurück.
    »Henry hat einen fürchterlichen Ernst entwickelt, seit er seinen Sitz im Oberhaus eingenommen hat. Was war dein letzter Antrag? Biologisch angebautes Gemüse für Knastis?«
    »Ha, ha«, machte Henry.
    Jane kam ihrem Mann zu Hilfe. »Sei nicht gemein. Er hat viel Arbeit in das Thema gesunde Ernährung gesteckt, nicht wahr, Liebling?«
    »Seine eigene Ernährung ausgenommen, nehme ich an«, bemerkte Charles.
    »Jetzt lachst du, aber wenn dein Vater mal stirbt, bist du dran. Du wirst schon sehen«, sagte Jane.
    »Nein, da hab ich nichts zu befürchten. Labour wird die nächste
Wahl gewinnen und die Lords absägen, bevor du mitkriegst, was los ist.«
    »Sei doch nicht so pessimistisch.« Jane wollte nicht hören, dass die

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