Snobs: Roman (German Edition)
altmodisch war der Wunsch nach Wohlstand längst nicht mehr. Die Müsli-Strickpullover-Generation ihrer Kindheit war nach der Ära Thatcher einer dynamischeren Ellbogengesellschaft gewichen, und fügten sich ihre Träume nicht gut in diese Entwicklung ein?
Edith mochte Ehrgeiz besitzen und widerstrebend zur Überzeugung gelangt sein, dass nur ein Mann ihr das goldene Tor zu einem erfüllten Leben öffnen konnte, doch wäre es falsch, sie deshalb einen Snob zu nennen. Das war sie im Vergleich zu ihrer Mutter sicher nicht. Sie sagte zwar, dass sie lieber von drinnen nach draußen sähe als umgekehrt, allerdings war sie mehr an Erfolg interessiert (oder an Macht, um das weniger wohlklingende Wort zu benutzen) als an Titeln. Sie wollte im Zentrum des Geschehens stehen. Sie wollte einen Sieger, keine Adelskrone. Innerhalb gewisser Grenzen. Sie suchte nicht gerade nach einem erfolgreichen Verkaufsgenie, aber im Grunde auch nicht nach einem Earl. Was wahrscheinlich erklärt, warum sie einen bekam.
Sie betrachtete ihr Spiegelbild im kurzen schwarzen Kleid aus Wildseide. Was ihre Mutter das »Kleine Schwarze« genannt hätte, für die elegante Londonerin nach wie vor der unverzichtbare Klassiker. Es war hervorragend geschnitten und hatte einiges gekostet; außer einem Art-déco-Armband trug sie keinen Schmuck dazu. Sie sah hübsch aus, ihr Chic besaß jene Spur Herbheit, die mancher Engländer interessant findet. Sie lächelte zufrieden. Edith war nicht eitel, aber froh, um nicht zu sagen erleichtert, dass sie nicht mit einem Dutzendgesicht geschlagen war. Es klingelte.
Sie hatte mit dem Gedanken geliebäugelt, Charles einfach unten warten zu lassen, aber dann dachte er womöglich, sie hätte etwas Peinlicheres zu verbergen als einen ziemlich gewöhnlichen Vater und eine versnobte Mutter; also beschloss sie, ihn heraufzubitten, aber wie in Amerika üblich nur mit dem Vornamen vorzustellen. Eine moderne Sitte, die ihr sonst ausgesprochen zuwider war, da dabei genau der Teil des Namens mit einem gewissen Informationswert unterschlagen wurde. Als Kenneth ihnen etwas zu trinken einschenkte, hebelte ihre Mutter ihre Taktik auch sofort mit der Frage aus: »Charles wer?«
»Broughton.« Charles lächelte. Edith sah, wie bei ihrer Mutter mit einem lautlosen Plonk der Groschen fiel, doch Stella Lavery hatte nicht umsonst ein Leben lang zu den Bewunderern Ihrer Majestät Elizabeth I. gezählt. Sie lächelte weiter, wenn auch leicht maskenhaft.
»Und wie haben Sie Edith kennen gelernt?«
»Wir sind uns in Sussex im Haus meiner Eltern begegnet.«
»Als ich bei Isabel und David war«, warf Edith ein.
»Ah, dann kennen Sie die Eastons?«
Charles nickte, wofür ihm Edith dankbar war. Er hatte nicht sagen wollen: »Nein, ich kenne die Eastons nicht, und Ihre Tochter und ich sind uns nicht auf einer privaten Gesellschaft vorgestellt worden. Ich habe sie kennen gelernt, weil sie eine Eintrittskarte zur Besichtigung meines Zuhauses gekauft hat.« Das wäre der Wahrheit näher, aber ein holpriger Start für den Abend gewesen. Nachdem diese Hürde genommen war, setzte Edith dem Geplauder rasch ein Ende, um
nicht noch mehr zu riskieren. Deshalb war sie nicht nervös, sondern vielmehr erleichtert, als sie in Charles’ glänzenden Porsche stiegen.
»Ich dachte, wir gehen ins Annabel’s«, sagte Charles.
»Jetzt?« Sie war so überrascht, dass ihr die Frage unzensiert herausrutschte.
»Ist das keine gute Idee? Wir müssen nicht hin.« Charles sah leicht verletzt aus, und Edith kam sich gemein vor – er hatte ihr wohl etwas Besonderes vorschlagen wollen und erhielt von ihr eine Abfuhr. Dabei freute sie sich, dass er sich etwas für sie überlegt hatte.
»Wunderbar.« Sie lächelte warmherzig in sein offenes, freundliches, ein wenig schwerfälliges Gesicht. »Ich bin nur immer später am Abend hingegangen. Zum Dinner war ich dort noch nie.«
»Ich mag den Club recht gern.«
Er fuhr los und sie schwiegen, bis er vor dem berühmten Souterrain-Eingang am Berkeley Square hielt. Charles stieg aus und übergab die Autoschlüssel einem Türsteher. Bisher war Edith immer mit jungen Männern im Annabel’s gewesen, die irgendwo am Platz parkten und dann zu Fuß mit ihr zum Club gingen. Dass ihr Begleiter nicht aufs Geld achten musste, erfüllte sie mit einem Gefühl des Wohlbehagens. Sie gingen die Treppe hinunter und traten durch die Eingangstür. Charles trug sich ein und wurde von allen Seiten mit »Guten Abend, M’lord« begrüßt.
Die
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