Snobs: Roman (German Edition)
älteren, sehr gut aussehenden Börsenmakler kennen lernte, den sie zu heiraten beschloss, wenn er ihr einen Antrag machte. Sie waren etwa ein Jahr zusammen, wurden oft gemeinsam zu Wochenendgesellschaften eingeladen und waren im Großen und Ganzen glücklich oder zumindest nicht weniger glücklich als andere Paare auch. Er hieß Philip, seine Mutter stammte aus einer recht vornehmen Familie, und es war etwas Geld vorhanden – genug, um in Clapham einen gemeinsamen Haushalt gründen zu können. Alles schien bestens und niemand war überraschter als Edith, als Philip eines Abends stockend erklärte, er habe eine andere kennen gelernt und mit ihnen sei alles vorbei. Edith hatte zuerst Mühe, den Sinn seiner Worte zu erfassen. Zum Teil, weil er als Schauplatz seiner Erklärung das San Lorenzo am Beauchamp Place gewählt hatte, wo die Gäste an den beiden Nachbartischen jedes Wort mitverfolgten, zum Teil aber auch, weil Edith sich bei aller Bescheidenheit nicht vorstellen konnte, was diese »andere« ihr voraus haben sollte. Sie und Philip mochten einander, waren ein attraktives Paar,
verbrachten ihre Wochenenden gern auf dem Land und liefen beide Ski. Wo lag das Problem?
Philip verließ sie jedenfalls, und drei Monate später bekam sie eine Einladung zu seiner Hochzeit. Sie ging hin, war die Liebenswürdigkeit in Person und sah – wie sie es sich eisern vorgenommen hatte – hinreißend aus. Die Braut war natürlich nicht so hübsch wie sie, sogar eher unscheinbar, doch als Edith bemerkte, wie sie Philip unverwandt anhimmelte, schwante ihr, dass dies etwas mit dem Scheitern ihrer Beziehung zu tun haben könnte.
Danach hatte es noch mehrere kurze Geplänkel gegeben, mehr nicht. Ein Immobilienmakler namens George konnte sich etwa sechs Monate halten, aber nur, weil er der erste fähige Liebhaber war, den Edith je hatte, und da er eine solche Lust in ihr weckte, verschloss sie die Augen vor seinen Unzulänglichkeiten – bis zu jenem Tag in Henley. Er hatte mit ihr die königliche Regatta besucht, die er rührenderweise für ein schickes Ereignis hielt; doch als sie in einem der Mitgliederzelte ihren Lunch einnahmen und er wieder einmal in sein lautes, öliges Lachen ausbrach, stieß ihr auf, wie fürchterlich er im Grunde war. Danach war es nur noch eine Frage der Zeit.
Ihre Eltern bedauerten den Bruch mit Philip sehr, den sie mochten, weinten George keine Träne nach und bildeten sich erst gar keine Meinung zu den anderen, die nur ein kurzes Gastspiel in Elm Park Gardens gaben; doch es fiel Edith auf, dass die verhüllten Andeutungen und die halb scherzhaften, halb besorgten Bemerkungen ihrer Mutter sich seit ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag häuften. Und zum ersten Mal verspürte sie einen sehr fernen, sehr leisen Anflug von Panik. Nur einmal angenommen, dass sich tatsächlich niemand fand, der sie heiraten wollte – was dann?
Was um alles in der Welt sollte sie dann tun?
Doch als sie die aufgeheizten Lockenwickler aus den Haaren zog und zur Bürste griff, dachte sie, dass sich alles sehr schnell ändern könnte. Mit Frauen verhält es sich da ganz anders als mit Männern. Männer sind entweder von Geburt an vermögend oder rackern sich jahrelang ab, um Karriere zu machen und reich zu werden, während
eine Frau – nun, sie konnte heute arm und morgen reich sein oder zumindest die Gattin eines reichen Mannes. Ein solcher Gedanke entspricht vielleicht nicht dem Zeitgeist, aber auch heute noch vermag der richtige Ring das Leben einer Frau von Grund auf verwandeln.
Solche Überlegungen mögen leicht den Eindruck erwecken, Edith sei ziemlich berechnend und hätte es vielleicht sogar ausschließlich aufs Geld abgesehen, doch damit täte man ihr Unrecht. Ein solches Urteil hätte sie überrascht. Auf die Frage, ob sie eine Materialistin sei, hätte sie geantwortet, sie denke nur praktisch, auch sei sie kein Snob, sondern sehe die Welt eben so, wie sie ist. Schließlich las sie Romane, ging ins Kino, hatte eine Vorstellung vom Glück, glaubte an die Liebe. Doch sie sah ihre künftige Karriere vor allem im Gesellschaftsleben (wo sonst?), und wie hätte sie ohne Geld und gesellschaftliche Stellung Nennenswertes erreichen können? In den Neunzigerjahren galten solche Ziele als überholt, doch Edith war nicht der Typ, ein Fitness-Imperium zu gründen oder eine neue Zeitschrift herauszubringen. Für alle akademischen Berufe hatte sie die Chance schon nach ihrem Schulabschluss vor zehn Jahren verpasst. Und so
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