Snobs: Roman (German Edition)
geschrieben, dass wir hier sein werden.«
Edith legte sich zurück und schloss die Augen. Dieses großartige Netzwerk, diese Verbindungen, die weit über nationale Grenzen reichten, Meere und Bergketten überspannten, waren keine Bedrohung mehr für sie, weil sie jetzt dazugehörte. Und bald würden die Leute in Wien oder Dublin oder Rom sagen: »Als ich in London war, habe ich Edith Broughton gesehen. Sie sagt, sie fahren im September vielleicht nach New York …« Darauf würde ein anderes Mitglied des inneren Kreises erwidern: »Edith? Wie geht es ihr denn?« Oder, noch besser: »Ich finde Edith ganz besonders reizend. Sie nicht auch?« Damit wären in Wien oder Dublin oder Rom alle anderen im Raum ausgeschlossen, die Edith Broughton nicht kannten, und würden
sich deshalb mickrig und sozial unterlegen fühlen, was ganz der Absicht derjenigen entsprach, die mit Namen um sich warfen und befriedigt abziehen würden, weil sie wieder einmal ihre Exklusivität bestätigt hatten. Bei alledem würde Edith die Rolle derjenigen spielen, die man kaum kennen lernen konnte, wenn man nicht zu ihrer Kaste gehörte. Und einen kurzen Moment lang, als die Sonne über ihre Lider streichelte und aus der Ferne vom Strand Kindergeschrei herüberdrang, dachte Edith über den Sinn nach, den dieses ewige Heben und Senken der Schranken eigentlich hatte.
Sie hörte neben sich einen gewaltigen Plumpser und öffnete die Augen, um den Ehrfurcht einflößenden Anblick von Henry Cumnor zu würdigen, der sich zum Sonnenbaden ausstreckte. Ohne Kleider sah er sogar noch dicker aus, wie eine jener spaßigen Strandpostkarten mit der Aufschrift »Wo ist mein kleiner Schniedelwutz?«
»Was ist mit den anderen? Wir können doch nicht alle zu diesen Leuten da, oder?« Henry sprach niemanden direkt an, sondern redete einfach in die Luft, damit er nicht mehr zu bewegen brauchte als nur die Lippen.
Caroline zuckte mit den Achseln. »Warum eigentlich nicht? Ich habe schon gesagt, dass wir ein ganzer Haufen sind.« Sie besaß diese seltsame Überzeugung der englischen Oberschicht, dass sie, Lady Caroline Chase, ihren Gastgebern mit ihrem Besuch einen Gefallen tat, egal, welche Kraftanstrengung sie dabei machen mussten oder wenn sie, wie hier, als völlig Fremde nur eine Pflichteinladung aussprachen. Menschen wie Caroline können sich einfach nicht vorstellen, dass sie einem Haus nicht unbedingt eine große Ehre erweisen, wenn sie es betreten. Und weil Caroline davon ausgeht, dass sie ihre Gastgeber allein schon durch ihre Anwesenheit beglückt, zeigt sie ansonsten auch keinerlei Bemühen und kann, obwohl eine intelligente Frau, ein entsetzlich langweiliger Gast sein. Wovon sie oder die vielen anderen ihres Schlags übrigens keine Ahnung haben. »Fragen wir sie einfach, wenn sie runterkommen, ob sie mitwollen«, sagte sie.
»Wie lange wollen sie denn bleiben?«, fragte Jane, stützte sich auf die Ellbogen und griff nach dem Öl.
»Wer? Peter oder die anderen?«
»Der liebe Peter doch nicht. ›Bob‹ und ›Annette‹.« Jane setzte ihre Namen hörbar in Gänsefüßchen, um sich von ihnen zu distanzieren und den Zuhörern klar zu machen, dass sie die beiden nicht als normale Hausgäste betrachtete, sondern als seltsame Exemplare einer fremdartigen Spezies. Sie betonte den Unterschied sehr bedacht.
»Bis Dienstag oder Mittwoch, glaube ich.« Caroline blickte zu Eric hinüber, der nickte und die Nase rümpfte. Er ließ keinen Zweifel daran, in welchem Team er spielte.
»Mann!«, sagte Henry. »Wer sitzt heute Abend im Zuhörerstuhl?« Alle lachten.
Edith verspürte den unwiderstehlichen Drang, ihre Clubkarte in Fetzen zu reißen. »Ihr redet doch nicht von Annette?«, fragte sie demonstrativ ungläubig. »Seid ihr komisch! Ich mag sie wirklich gern.«
Henry ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Schön, du kannst beim Abendessen gern neben ihr sitzen. Hoffentlich bist du bereit, dich mit ihr ad nauseam über ihre Filmkarriere zu unterhalten.«
Edith lächelte. »Warum nicht? Worüber würdest du denn lieber reden? Vielleicht über die Leute, die ihr in Shropshire kennt?« Sie legte sich unbeirrt weiterlächelnd zurück, schloss die Augen und genoss wie ein ungezogenes Schulmädchen das peinliche Schweigen.
»Ich bin nicht so oft in Shropshire.« Henry wälzte sich von ihr weg, ein schnaufender Fleischberg, der an einen gestrandeten Wal erinnerte.
»Ich geh schwimmen«, sagte Charles.
Sie aßen spät zu Mittag, eine etwas zu
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