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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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gemacht und besaß nach alter Tradition »ein Recht auf ihre eigenen Ansichten«. Mit einem strengen Lächeln fuhr sie fort: »Das weißt du ganz genau. Aber ich verrat’s dir trotzdem: Annette kennt die Leute nicht, die wir kennen, Tina aber schon, und außerdem hat sie hundert Millionen. Ich weiß nicht, Liebling, kommt dir das nicht selber fragwürdig vor? Nur ein bisschen?« Edith wurde übermütig; sie lächelte ihren Mann spöttisch an, schüttelte leicht den Kopf und stellte sich vor, wie bezaubernd ihre Haare aussehen mussten, die in Locken ihren Nacken herabfielen.
    Charles starrte sie an. »Wer sind die ganzen Leute, die ihr da kennt, du und Tina Frank?«, fragte er verdrießlich und knipste das Licht aus.

Zweiter Teil
Forte piano

9
    In den Monaten nach ihrer Rückkehr von der Hochzeitsreise bekam ich Edith nicht viel zu Gesicht, obwohl sie und ihr Mann von Zeit zu Zeit in London waren. Offenbar fand Edith keinen Gefallen am Stützpunkt ihrer Schwiegermutter am Cadogan Square, sondern sie benutzten Charles’ kleine Wohnung am Eaton Place und kamen gelegentlich für eine Party oder Veranstaltung in die Stadt. Ich lief ihnen bei ein paar Abendgesellschaften über den Weg und wurde im Oktober einmal mit einigen anderen in ihr winziges Wohnzimmer im zweiten Stock zu einem Drink eingeladen, doch gab es dort wenig Gelegenheit für ein privates Gespräch. Edith sah recht glücklich aus und setzte bereits die Patina der Privilegierten an, diese leise, distanzierte Aura des Luxus, die solche Menschen von gewöhnlichen Sterblichen abhebt; amüsiert stellte ich Ansätze eines Hochmuts fest, hinter dem das Mädchen aus Chelsea (fast Fulham), das so großes Glück gehabt hatte, allmählich verblasste.
    In der Zeit vor Weihnachten sah ich sie überhaupt nicht mehr und hatte schon das Gefühl, ganz aus ihrem Kreis verschwunden zu sein, als ich eine Karte mit einem Brief bekam, nicht von Edith, sondern von Charles, eine Einladung zu einer Jagd im Januar. Sie sollte an einem Freitag stattfinden, und ich wurde gebeten, mich am Donnerstagabend zum Dinner einzufinden; da weiter nichts angegeben war, sollte ich mich vermutlich nach der Jagd wieder trollen, um den Samstagsgästen Platz zu machen. Dass die Einladung so spät kam, bedeutete, dass jemand abgesagt hatte, was ihre Attraktivität für mich nicht schmälerte, und ich wusste ausnahmsweise auch, dass ich an den betreffenden Tagen freihaben würde. Ich hatte bereits einen Vertrag für den »Schurken der Woche« in einer jener endlosen Vorabend-Krimiserien;
die Dreharbeiten würden fünf Tage nach dem vorgeschlagenen Datum beginnen. So sandte ich meine Zusage zurück und erhielt fast postwendend Richtungsanweisungen für die Anreise per Auto oder per Bahn. Falls ich per Bahn käme, war auch der Zug angegeben, den ich nehmen sollte; ansonsten würde ich um sechs Uhr im Haus erwartet.
    Ich gehe gern auf die Jagd. Dies ist für meine weichherzigen Londoner Theaterfreunde genauso schwer zu verstehen, wie es für den Landmenschen selbstverständlich ist; doch ich möchte hier den Jagdsport nicht verteidigen, da ich in beiden Lagern noch niemandem begegnet bin, der sich in seiner Meinung hätte beeinflussen lassen. Für mich entbehrt es zwar der Logik, fröhlich Produkte aus der Massentierhaltung zu verzehren, aber Einwände gegen Wildhüter zu erheben, denen es um den Erhalt der Bestände geht; dennoch akzeptiere ich, dass Gefühle nicht unbedingt eine logische Grundlage benötigen. Auf jeden Fall hatten die meisten meiner bisherigen sportlichen Betätigungen mit der Jagd zu tun gehabt, und so brach ich mit einem Gefühl der Vorfreude zu dem Ereignis auf, das eine echte, traditionelle grande battue zu werden versprach.
    Ich kannte den Weg sehr gut, da ich viele Wochenenden bei den Eastons verbracht hatte; allerdings kann es ein Alptraum sein, London in Richtung Süden zu verlassen, und so hatte ich mir angewöhnt, zusätzliche Zeit für Verkehrsstaus einzuplanen. Diesmal hatte ich jedoch nicht bedacht, dass ich die Strecke an einem Donnerstag statt an einem Freitag zurücklegen würde, und kam nach einer relativ unbehinderten Fahrt schon kurz nach halb sechs in Broughton an. Der Butler mit dem etwas seltsamen Namen Jago informierte mich, dass sich Lady Uckfield und Lady Broughton im gelben Salon befänden und gerade die Sitzung irgendeines Ausschusses beendeten.
    Ich verspürte keinerlei Wunsch, mich zu ihnen zu gesellen – die Sitzungen, an denen man zwangsweise

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