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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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teilnehmen muss, sind schon schlimm genug –, und ließ mich in der Marmorhalle in einem erstaunlich bequemen Sessel in Samt und Gold nieder (William Kent, achtzehnten Jahrhundert). Ich brauchte nicht lange zu warten, bis die
Tür aufging und einige der Ausschussmitglieder herauskamen, die sich ehrerbietig von Edith verabschiedeten, als sie sie hinausbegleitete. Sie löste sich von der Gruppe.
    »Hallo«, begrüßte sie mich. »Ich wusste nicht, dass du da bist.«
    »Ich bin zu früh dran, deshalb dachte ich, ich warte lieber hier, als hineinzukommen und euch den Spaß zu verderben.«
    Mit einem komischen Seufzer ließ sie die Schultern hängen. »Ein Mordsspaß!«, sagte sie. »Komm mit und trink eine Tasse abgestandenen Tee.« Sie ignorierte das Nicken und Lächeln der Aufbrechenden und führte mich in den Raum zurück. Die Leute nahmen ihr diese Behandlung nicht übel. Im Gegenteil. Dass sie sie meinetwegen missachtete, führte lediglich dazu, dass sie auf dem Weg zur Treppe ihr ehrfürchtiges Lächeln auch auf mich ausdehnten. Wahrscheinlich stellten sie sich vor, auch ich wäre vom Zauberstab berührt worden.
    Einige Nachzügler unter den Ausschussmitgliedern, der üblichen Ansammlung von Provinzintellektuellen, Gemeinderätinnen mit steifer Dauerwelle und Landwirten, die vor Langeweile fast umkamen, waren noch im letzten Stadium des Aufbruchs. Die schleppende Langsamkeit, mit der manche ihre Sachen zusammenpackten, verriet, dass sie noch jemanden zu fassen bekommen wollten, bevor sie gingen. Die Beute, auf die die meisten Trödler aus waren, war natürlich Lady Uckfield, die es sich in einem hübschen, beschlagenen Sessel am Kamin bequem gemacht hatte, belagert von einem Kreis von Bewunderern. Einige der auf ein Gespräch Hoffenden wurden durch den Andrang abgeschreckt, nahmen mit fünf Minuten Edith vorlieb und zogen dann ab. Ich näherte mich meiner Gastgeberin, und sie erhob sich, um mich mit einem Kuss zu begrüßen, für ihr Gefolge das Signal, dass die Audienz vorüber war.
    »Auf Wiedersehen, Lady Uckfield«, sagte ein schwarzer Gemeinderat in weiter Künstlerhose, »und vielen Dank.«
    »Nein, ich danke Ihnen .« Lady Uckfield redete mit ihrer üblichen eindringlich-vertraulichen Sprechweise. »Ich höre, Sie machen wunderbare Dinge in Cramney. Wie ich erfahren habe, brummt es dort richtig. Ich kann es kaum erwarten , mir die Sache selbst anzusehen.«
    Ihr Gesprächspartner strahlte und streifte seinen Sozialismus auf der Stelle ab. »Wir würden uns riesig freuen, wenn Sie kommen.« Mit einem breiten Lächeln zog er sich zurück.
    »Wo liegt Cramney?«, fragte ich.
    Lady Uckfield zuckte mit den Achseln. »Das ist ein grässliches kleines Kaff in Kent. Möchten Sie Tee?«
    Als ich schließlich in mein Zimmer kam, waren meine Sachen bereits ausgepackt und Abendhemd, Fliege, Socken und Kummerbund lagen für mich bereit. Doch von meiner frischen Unterhose fehlte jede Spur. Ich stöberte in mehreren Schubladen und war gerade dabei, unter dem Bett danach zu suchen, als ich eine Stimme hinter mir hörte. »Wonach sind Sie da bloß auf der Jagd?« Ich drehte mich um und sah Tommy Wainwright in der Tür stehen, die mein Zimmer alias das »Gartenzimmer« mit dem größeren Zimmer daneben, dem »Samtrosenzimmer«, verband, wo Tommy einquartiert war. Trotz der klangvollen Namen waren die Zimmer ziemlich klein, da sie auf einer Seite des Hauses nachträglich in einer Art Zwischengeschoss eingebaut worden waren. Der Architekt hatte den Auftrag erhalten, zwanzig Ausweich-Gästezimmer zu schaffen, aber die Fassade des Hauses nur an einer Seite zu ruinieren. Trotz der beeindruckenden Bezeichnungen hatten die Zimmer nur eine Deckenhöhe von zwei Meter vierzig und gingen nach Norden, auf den Hof mit den Stallungen hinaus.
    Wir suchten noch eine Weile nach dem fehlenden Wäschestück, gaben dann auf und überließen es seinem Schicksal. Vermutlich klemmt noch heute im Gartenzimmer von Broughton Hall hinten in einer Schublade eine alte Unterhose. Tommy ging in sein Zimmer und kam mit einer kleinen Flasche Scotch und zwei Zahnputzgläsern zurück. »Unabdingbare Ausrüstung für Hotels und Einladungen in solchen Häusern«, sagte er und goss uns beiden kräftig ein.
    »Wird hier mit dem Zeug geknausert?«, fragte ich. Ich war schon oft überrascht, welchen unglaublichen Unbequemlichkeiten und Entbehrungen der englische Hochadel seine Freunde (und auch völlig Fremde) aussetzt, was ich vor allem in meiner Jugend häufig

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