Snobs: Roman (German Edition)
du einen guten Einfluss auf mich ausübst.«
»Warum, kann ich mir nicht vorstellen.«
»Sie glaubt, du wirst mich daran erinnern, was für ein Glück ich hatte.«
»Stimmt das denn nicht?« Edith verzog das Gesicht und reckte und streckte sich. »Du liebe Zeit«, sagte ich. »Sag bloß nicht, dass du dich jetzt schon langweilst.«
»Doch.«
Ich seufzte leicht. Ich kann nicht so tun, als wäre ich über Ediths Entdeckung, dass ein gutes Herz und ein schlichter Glaube mehr bedeuten als ein Titel und normannisches Blut, groß überrascht. Früher oder später musste es wohl so kommen, aber selbst unter Berücksichtigung des gestrigen Abends schien es mir unverhältnismäßig früh dafür. Wie die meisten ihrer Freunde hatte ich gehofft, sie würde erst dann zu der uralten Erkenntnis gelangen, dass man nur in einem Bett schlafen und nur eine Mahlzeit auf einmal essen kann, wenn sie Kinder hätte und damit eine echte Aufgabe in ihrem neuen Leben. Und schließlich besaß Charles, was immer man sonst von ihm sagen mochte, ein gutes Herz und, wie mir schien, einen ziemlich schlichten Glauben. Als ich weiterredete, schlug ich unwillkürlich einen mahnenden Ton an.
»Was genau langweilt dich? Charles? Oder dieses Leben? Oder nur das Landleben im Allgemeinen? Oder was sonst?«
Sie antwortete nicht, und meine Aufmerksamkeit wurde von einem in extremer Höhe fliegenden Vogel auf sich gezogen, der in meine Richtung kam. Ich hob ehrgeizlos die Flinte und ballerte drauflos. Der Fasan flog fröhlich weiter.
»Eins muss ich sagen«, fuhr ich etwas versöhnlicher fort, »der Start ins Eheleben kommt mir reichlich erschwert vor, wenn man mit den Schwiegereltern unter einem Dach wohnt – mag das Dach noch so geräumig sein.«
»Das ist es nicht. Sie haben uns ja Brook Farm angeboten.«
»Warum bist du nicht hingezogen?«
Edith zuckte mit den Achseln. »Ich weiß auch nicht. Das Haus kam mir so – mickrig vor.«
Plötzlich war das wahre Problem sonnenklar: Ihr Gatte langweilte sie zu Tode. Nur in den prachtvollen Kulissen von Broughton Hall war ihr Leben gerade noch erträglich, wo es Menschen gab, mit denen sie reden konnte, und wo sie immer den berauschenden Wein des Neids, den sie in den Augen anderer sah, trinken konnte. Doch allein mit Charles in einem Bauernhaus zu leben … Das kam überhaupt nicht in Frage.
»Wenn du dich so langweilst, warum verbringst du dann nicht mehr Zeit in London? Wir bekommen dich dort überhaupt nicht mehr zu sehen.«
Edith starrte zu ihren grünen Gummistiefeln hinunter. »Ich weiß nicht. Die Wohnung ist winzig, und Charles hasst sie. Außerdem ist es immer ein solcher Zirkus.«
»Könntest du dich nicht ab und zu wegstehlen und allein hinfahren?«
Edith starrte mich an. »Nein. Ich glaube nicht. Das sollte ich wohl auch nicht, oder?«
Ich starrte kurz zurück. »Nein«, sagte ich dann.
Daran lag es also. Sie war kaum acht Monate verheiratet und fand ihren Mann bereits sterbenslangweilig. Außerdem hatte sie Angst davor, ihre Fühler nach London auszustrecken, weil sie überzeugt war, ein gesellschaftliches Leben dort würde sie sofort mit Haut und Haaren verschlingen. Wenigstens besaß sie Ehrgefühl genug, dass sie den faustischen Pakt, den sie geschlossen hatte, auch einhalten wollte.
Ich lächelte. »Nun, um Nanny zu zitieren: Du würdest aber gern, nicht?« Sie nickte ziemlich finster. »Wen siehst du hier denn so? Isabel wohl kaum, möchte ich wetten.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Nein. Die sehe ich nicht so oft, fürchte ich. Mir wurde zu verstehen gegeben, dass ich David enttäuscht habe. Ständig lässt er Andeutungen wegen der Jagd fallen, deshalb habe ich mich einfach nicht getraut, ihnen zu erzählen, dass du heute kommst.«
»Will Charles ihn nicht dabei haben?«
»Daran liegt es nicht. Er würde ihn sicher einladen, wenn ich ihn darum bitten würde, aber – na, du weißt schon, das ist hier doch ein anderer Haufen, ob es den Eastons gefällt oder nicht. Und David kann schon ein bisschen … peinlich sein.«
Der arme David! Dass er das erleben musste! Nach all den Jahren Ascot und Brook’s Club und Drinks bei Pferderennen! Letzten Endes war er Edith nur peinlich. Grausame Welt. Ich wollte mich ihrem Urteil nicht vollständig anschließen, obwohl ich natürlich wusste, was sie meinte.
»Du musst ihm sagen, dass ich hier war. Ich will nicht, dass Isabel es über ein paar Ecken mitbekommt und glaubt, wir hätten uns gegen sie verschworen.« Edith nickte.
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