Snobs: Roman (German Edition)
ich.
Twist ließ sich nicht abschrecken. »Er hält jedenfalls sehr viel von Ihnen«, fuhr er fort. Er hatte sich jene merkwürdige Sprechweise der mittleren Ostküste angewöhnt, die an Talkshows erinnert, wo jede triviale Bemerkung a) Anteilnahme bezeugen und b) die sachliche Behandlung eines Themas abwürgen soll.
»Schön zu hören«, sagte ich.
»Gut.« Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte die Beine aus, wobei ein Paar Cowboystiefel mit einem schrecklichen Indianermuster sichtbar wurden. »Dann erzählen Sie mir mal ein bisschen über sich.«
Nichtschauspieler können schwer die ganze Tiefe der Depression nachempfinden, in die einen diese Frage stürzt, wenn die Etappen einer mäßigen Karriere hervorgezerrt und ausgebreitet werden müssen wie der Ramsch aus dem Koffer eines Handlungsreisenden. Deshalb
übergehe ich diesen Teil und sage nur, dass ich die Rolle bekommen habe. Nicht nur des »bisschens« wegen, das ich über mich erzählt hatte, sondern weil es sich Twist nicht von vornherein mit Lady Uckfield verderben wollte, die sich offenbar, wie ich später erfuhr, sehr energisch für mich eingesetzt hatte.
Sobald mein Agent bestätigt hatte, dass ich für die gesamte achtwöchige Produktionszeit des Films engagiert war, was sechs Wochen in oder in der Nähe von Broughton bedeutete, rief ich Edith an.
»Wie aufregend! Du wohnst natürlich bei uns.«
Es ist immer schön, wenn man eingeladen wird, doch ich hatte schon beschlossen, nicht in Broughton Hall zu bleiben. Es war ohnehin abzusehen, dass meine Vertrautheit mit der Familie einen gewissen Störfaktor darstellen würde. Wenn ich dort auch noch wohnte, würde ich nach kurzer Zeit vom Entstehungsprozess des Films nichts mehr mitbekommen.
»Sehr freundlich, dein Angebot. Ich glaube nicht, dass ihr mich sechs Wochen lang aushalten könntet.«
»Sei nicht albern. Natürlich könnten wir das.«
»Ich werde nicht so unvernünftig sein und eure Geduld auf die Probe stellen.«
Edith verstand diese Sprache gut genug und wusste, dass ich ihre Einladung abgelehnt hatte; sie wurde nicht wiederholt. Ich erzählte ihr, dass ich im selben Hotel wie das restliche Filmteam absteigen würde, einem umgebauten Landsitz gleich bei Uckfield, aber dass wir uns natürlich viel sehen würden. Ich muss gestehen, dass ich nach dem kleinen Vorgeschmack bei der Jagd eine leicht makabre Neugier empfand und sie und Charles gern auf ihrem heimischen Terrain beobachten wollte. Vielleicht war sogar ein winziger Anflug Schadenfreude dabei, auch wenn ich das nicht wirklich zugeben möchte. Doch ich hatte Ediths Einzug ins Land der Verheißungen miterlebt und fürchtete, die Enttäuschungen der Erfolgreichen weckten oft eine gewisse Genugtuung. Sie ist der Trost für das eigene Versagen.
Zwei, drei Wochen vergingen. Ich hatte Anproben für Kostüme und Perücke und lief bei Bermans und Wig Creations gelegentlich
den anderen Darstellern über den Weg. Für die Gunning-Schwestern würden zwei amerikanische Blondinen eingeflogen, die in einer Hollywood-Krimiserie mitspielten, aber gerade Drehpause hatten. Das künstlerische Niveau des Films war also von vornherein im Keller angesiedelt. Ich möchte hier nicht wie ein Snob klingen. Zweifellos gibt es viele Rollen, die mit amerikanischen Blondinen hervorragend besetzt sind. Ich will damit nur sagen, dass die Produzenten mit Louanne Peters und Jane Darnell jeden Anspruch auf eine wirklichkeitsgetreue Darstellung des achtzehnten Jahrhunderts zugunsten hoher Einschaltquoten aufgaben. Daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen oder täte es zumindest nicht, wenn sie dazu stehen würden. Doch leider musste der Rest des Teams endlos im Cateringbereich herumsitzen und sich anhören, welche Anstrengungen unternommen wurden, um die richtigen Kandelaber und Morgenhauben aufzutreiben, während jeder genau wusste, dass die Hauptdarstellerinnen nicht die leiseste Ähnlichkeit mit den historischen Charakteren haben würden. Man lacht darüber, sackt die Gage ein und macht sich aus dem Staub, trotzdem ist so etwas nicht gerade motivierend. Allerdings freute ich mich, dass die Mutter der Schwestern, Mrs. Gunning, von Bella Stevens gespielt werden würde, mit der ich nach der Schauspielschule in unserer Anfangszeit am Provinztheater einmal ein Cottage in Northampton geteilt hatte. Ich freute mich darauf, eine Freundschaft auffrischen zu können, die wir in der Zwischenzeit nicht gepflegt hatten.
Eine seltsame, vielleicht einzigartige
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