Snobs: Roman (German Edition)
in jenem etwas unglücklichen Moment ins Auto, in dem ein Trupp Gäste aufbricht und das nächste Kontingent bereits anrollt; Charles folgte mir auf den Kiesstreifen hinaus und trat an mein Fenster. Ich kurbelte es herunter und fragte mich, was ich vergessen hatte, da ich mich bereits in aller Form verabschiedet, Trinkgelder verteilt und mich ins Gästebuch eingetragen hatte. »Was ich noch sagen wollte«, begann er, »wir haben ein Angebot von einer Filmgesellschaft bekommen. Mein Vater hat auf dem Gebiet keine Ahnung, aber Sie kennen sich doch da aus. Was sollten wir Ihrer Meinung nach tun?«
»Soll in Broughton ein Film gedreht werden?«
»Ich weiß nicht, ob es ein richtiger Film ist oder eins von diesen Fernsehdingern, aber sie wollen jedenfalls drehen. Wie sind solche Leute? Ist so etwas unbedenklich?«
Als Schauspieler würde ich dem Grundsatz folgen, mir ein Filmteam unter allen Umständen mindestens eine Meile weit vom Leib zu halten, doch sind Leute, die sich mit der »historischen« Sparte befassen, in der Regel recht zuverlässig. Ob es die Sache wert ist, hängt natürlich wie alles im Leben davon ab, was man dafür bekommt. Ich konnte für Charles nicht mehr tun, als ihm den Namen einer Agentur zu nennen, die im Verhandeln mit Filmgesellschaften Erfahrung hatte, und ihm zu raten, sich nach ihren Empfehlungen zu richten.
Er dankte mir und nickte. »Wir müssen es beim Vertrag zur Bedingung machen, dass eine Rolle für Sie dabei herausspringt«, sagte er lächelnd, während ich losfuhr.
10
Unerwartet und im Gegensatz zu den meisten meiner Bekannten aus dem Showbusiness, die sich in ähnlichen Situationen um nichts mehr kümmern würden, hielt Charles Wort. Bei dem Film handelte es sich um eine jener Fernsehproduktionen, die am Sonntagabend drei endlose Stunden lang laufen und für die möglichst viele beliebte Schauspieler eingekauft werden, die gerade knapp bei Kasse sind.
Verfilmt wurde die Geschichte der Gunning-Schwestern, zwei irische Schönheiten unbedeutender Herkunft, die 1750 nach London kamen, die Stadt im Sturm eroberten und den Earl von Coventry respektive den Duke von Hamilton heirateten. Die Ehe der Hamiltons sollte sich als unglücklich erweisen, eine Schieflage, die durch den frühen Tod des Herzogs zurechtgerückt wurde und die verwitwete Herzogin nicht davon abhielt, ihren langjährigen Bewunderer zu ehelichen, Colonel John Campbell, selbst Erbe des Herzogtums von Argyll.
Dies war eindeutig der Stoff, aus dem pseudohistorische Kurzserien sind. Broughton sollte als Double sowohl für den Hamilton Palace herhalten, der in den Zwanzigerjahren abgerissen wurde, als auch für Inverary, das wohl zu weit von London entfernt war. (Oder der gegenwärtige Duke von Argyll hatte an dem Projekt keinen Gefallen gefunden.) Außerdem konnten einige Räume den verschwundenen Glanz Londons im achtzehnten Jahrhundert wiedererstehen lassen.
Regie führte ein Engländer namens Christopher Twist, der Ende der Sechzigerjahre mit ein paar ausgeflippten Filmen einigen Erfolg gehabt hatte, als dieser Stil Mode war, und der aus den Resten seines früheren Ruhms immer noch einen Lebensunterhalt herausschlug.
Ich kannte die Casting-Direktorin, die immer schon nett zu mir gewesen war, und vermutete, ich hätte es ihr zu verdanken, dass ich für die ganz vernünftige Rolle des Walter Creevey vorsprechen sollte (ein dem Klatsch ergebener Zeitgenosse, den der Drehbuchautor zu einem Vertrauten der doppelten Herzogin machte, obwohl ich nicht glaube, dass es konkrete Beweise für eine solche Freundschaft gab). Doch sobald ich mich gesetzt hatte, gab Twist gleich alles preis. »Ich nehme an, Sie sind ein guter Freund des Earls von Broughton«, sagte er.
Man sollte es wohl jedem in Hollywood Lebenden nachsehen, dass er sich amerikanische Umgangsformen aneignet, da Los Angelinos im Unterschied zu anderen Völkern nur ihren eigenen Kommunikationsstil zu schätzen wissen. Dennoch war ich leicht verärgert, nicht weil er Charles einen falschen Titel zuwies, und auch nicht wegen der Plumpheit, Charles’ Rang voll zu benennen, sondern wegen der Aufdringlichkeit des »guten Freundes«. Meiner Erfahrung nach ist jeder, der sich als »guter Freund« einer bekannten Persönlichkeit ausgibt, allenfalls ein entfernter Bekannter. Wie auch »dem königlichen Paar nahe stehende Quellen« in einer Zeitung nichts anderes bedeuten als Klatsch aus dem königlichen Gefolge der alleräußersten Umlaufbahn. »Ich kenne ihn«, sagte
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