Snobs: Roman (German Edition)
ungehörige Unruhe wahrnahm, »Henri fragt, ob Sie gern nach Sussex kommen.« Sie sprach mit strenger Stimme wie eine Lehrerin, die ihre rüpelhaften Schüler zur Ordnung ruft, doch ihre Erklärung löste bei uns allen unweigerlich eine erneute Woge der Heiterkeit aus. Von der Anstrengung, ihre Belustigung zu unterdrücken, lief Edith rot an und ihre Augen tränten fast.
Da blickte Charles hoch. Er hatte natürlich nichts mitbekommen. »Liebling«, sagte er, »weißt du, was ich mit meinem zweiten Gewehrfutteral gemacht habe? Richard möchte es sich morgen ausleihen und mir fällt nicht ein, wo es sein könnte.«
Seine Worte schafften, was seine Mutter nicht geschafft hatte. Sie fielen wie eine schwere Löschdecke auf die um sich greifende Heiterkeit und erstickten sie wirkungsvoll. Nach einer matten Pause sagte Edith: »Du hast es Billy Westbrook geliehen.« Bevor sie sich wieder ihrem anstrengenden Nachbarn zuwandte, suchte sie kurz meinen Blick. Und als ich ihre geduldige Antwort hörte und ihre Müdigkeit spürte, dämmerte mir, dass sie sich vielleicht kein leichtes Leben eingehandelt hatte.
Am nächsten Tag stand ich früh auf, doch als ich das Speisezimmer betrat, saßen die meisten Gäste bereits bei Tisch und sprachen herzhaft dem köstlichen Frühstück im Stil der Jahrhundertwende zu, das als Buffet auf silbernen Rechauds aufgebaut war. Ich lud mir diverse cholesterinreiche Zubereitungen auf den Teller und trug ihn zu dem freien Stuhl neben Tommy hinüber.
»Ziehen wir Nummern oder bekommen wir unseren Platz einfach zugewiesen?«, fragte ich.
»Wir ziehen Nummern, wenn wir uns in der Eingangshalle sammeln. Charles hat dafür ein furchtbar protziges Silberdings mit nummerierten Stäben. Dabei kommt es vor allem darauf an, nicht den Platz neben Eric zu ziehen.«
Mir fielen gleich jede Menge Gründe ein, warum dieser Rat beherzigenswert war, doch aus Tommys Gesichtsausdruck schloss ich, dass es dabei um schiere Selbsterhaltung ging. Wie es sich ergab, würde zwischen Chase und mir nur ein Schütze stehen, und zwar der glücklose M. de Montalambert. Ich sah das lange Gesicht, das er machte, als er seine Nummer zog, vielleicht auch nur, weil er sich vor einer weiteren Vorlesung über Pfund und Euro fürchtete. Rechts von mir hatte ich Peter Broughton. Insgesamt waren acht Gewehre im Einsatz, vier davon wurden von Ladern betreut, so dass mit Frauen, Hunden et cetera. eine recht große Jagdgesellschaft zusammenkam, die in den auf dem Kies wartenden Range Rovern untergebracht werden musste. Edith war, wie ich bemerkte, nicht darunter. Den Grund entdeckte ich nach dem dritten Treiben, als sie mit Thermoskannen voller köstlicher Bouillon mit Wodka auftauchte (ohne Wodka für die Tugendhaften). »Darf ich mich dir anschließen oder lenke ich dich ab?«
»Komm nur, ich bitte darum! Ich lasse mich nicht ablenken. Ich schieße mit und ohne Begleitung daneben. Wenn es Charles nichts ausmacht?«
»Nein. Er ist mit George viel glücklicher. Für seinen Geschmack rede ich zu viel.«
Die Treiber würden einen höher gelegenen Wald durchkämmen,
der ziemlich weit vom Haus entfernt war, und die Gewehre wurden am Schussfeld im Halbkreis aufgestellt. Ich hatte ursprünglich die Nummer zwei gezogen, stand jetzt also beim vierten Treiben des Vormittags auf Position acht, am Ende der Reihe. Edith und ich schlenderten über das Feld zu dem nummerierten Stab, der mir zugedacht war, und warteten.
»Macht dir das wirklich Spaß?«, fragte sie, ging zum Zaun hinüber und lehnte sich an.
»Absolut. Sonst wäre ich nicht hier.«
»Ich dachte, du hättest vielleicht zugesagt, um mich in meiner ganzen Herrlichkeit zu erleben.«
»Du hast Recht, das hätte ich wohl getan. Trotzdem macht es mir wirklich Spaß. Nett, dass du mich hast einladen lassen.«
»Oh, das war gar nicht meine Idee.« Sie machte eine kleine Pause. »Natürlich bin ich begeistert, dass du gekommen bist, aber der Vorschlag stammt von Googie.« Sie merkte schon lange nicht mehr, dass sie ihre Schwiegereltern nur noch bei deren ätzenden Spitznamen nannte.
»Dann war es nett von ihr .«
»Ohne Grund ist Googie selten nett.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, welche Gründe sie für diese Einladung haben könnte.« Der Pfiff ertönte, also lud ich mein Gewehr und starrte auf die Baumwipfel. Dass ich mich von Edith abwandte, schien sie zu entspannen.
»Sie macht sich Sorgen um mich. Sie glaubt, ich langweile mich und du wirst mich aufheitern. Sie meint, dass
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