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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Womöglich wäre es ihnen lieber gewesen, wir wären gleich nach Hause gefahren, doch zum Teil aus Höflichkeit, zum Teil von schauriger Sensationslust beim Verdacht getrieben, dass der Abend noch nicht ganz vorüber war, nahmen wir die Einladung an. Wir, oder vielmehr ich, waren neugierig, ob Charles tatsächlich ins Bett gegangen war, wie lange Simon und Edith nach Hause brauchen würden, wie sich Lady Uckfield verhalten würde – der Fall hielt noch einiges an ungeklärten Aspekten bereit.
    Charles war im Salon. Er hatte den Whisky auf dem Tischchen neben seinem Sessel kaum angerührt und vermutlich in die Luft gestarrt, bis er unsere Schritte hörte. Jedenfalls schien er durch die Frauenzeitschrift, die er sich schnell geschnappt hatte, als wir hereinkamen, reichlich verwirrt. Er holte Scotch für seinen Vater und mich und Wasser für Adela, und wir setzten uns alle. Es dauerte nicht lange, bis im Treppenhaus die unverkennbaren Geräusche von Eric zu hören waren; zumindest der Range Rover war also zurückgekehrt. Seine vier Insassen traten herein.
    »Wo ist Edith?«, fragte Eric forsch, der natürlich frohlockte, dass sie noch nicht zurück war und er ihr daher ein paar Punkte abjagen könnte.
    »Ich hoffe, sie hatten keine Panne«, sagte Adela in bestimmtem Ton.
    »Du liebes bisschen. Könnte das denn sein?«, fragte Lady Uckfield.
    Nach einer stummen Aufforderung von Adela nickte ich. »Simons Auto ist eine fürchterliche Schrottkiste. Ich hoffe, sie ist nicht zusammengebrochen.«
    Lady Uckfield erkannte sofort das Rettungsboot, in das sie im Bedarfsfall springen könnte. Dass sie deshalb dankbar gewesen wäre, wäre zu viel gesagt. Denn dafür hätte sie sich erst eingestehen müssen, dass etwas im Argen lag. Doch sie war spürbar freundlich, als sie sich zu Adela aufs Sofa setzte und sie nach ihrer Tante zu befragen begann.
    Eric startete einen zweiten Versuch. »Die haben ewig gebraucht, bis sie überhaupt in Gang gekommen sind«, sagte er. »Wir waren schon alle eingestiegen und sogar zum Tor hinausgefahren, als ich den Motor hörte.« Doch das Gespräch war ihm bereits entglitten. Je länger sich das auf Abwege geratene Paar Zeit ließe, desto ausgiebiger könnte sich die Familie hinter der Angst vor einer Panne oder einem Unfall verstecken. Alle anderen möglichen Gründe für die Verspätung ließen sich damit mühelos abwehren.
    Als das Gespräch auf allgemeinere Themen überging und die Neuankömmlinge es sich auf den verschiedenen Sofas und Sesseln bequem machten, kam Charles zu mir und bat mich, ihm in sein Büro zu folgen. Ich habe vergessen, was er als Vorwand benutzte, irgendein Buch oder Bild, das er mir zeigen wollte, das Übliche eben, doch wir wussten beide, dass er einfach unter vier Augen mit mir reden wollte. Ich nickte und folgte ihm hinaus, wobei mir Erics spöttelndes Lächeln aufstieß. Ich freute mich nicht auf dieses Zwiegespräch, da ich mich mitschuldig am womöglich drohenden Chaos fühlte, wie ich mir selbst soeben erst einzugestehen begann.
    Charles Büro, dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift »Privat«
trug, über die man sich so gern hinwegsetzt, war ein kleineres Eckzimmer in einiger Entfernung vom Salon und Speisezimmer, die von der Familie benutzt wurden. Es schloss sich an die große Bibliothek an, lag also ebenfalls auf der Hauptetage und hatte daher schöne Kranzleisten und Türeinfassungen; tagsüber bot sich durch die beiden hohen Fenster ein herrlicher Ausblick auf den Park. Zwei Flügeltüren hätten das Büro mit der größeren Bibliothek verbunden, allerdings wurden sie selten geöffnet, da die Bibliothek in die Besichtigungstour eingeschlossen war. Der Kamin war eine erlesene Arbeit aus rosafarbenem Marmor, die Wände waren von den Bodenleisten bis zur Decke mit dunkelrotem Damast bespannt. Die von Glastüren geschützten Bücherschränke schienen eigens für den Raum angefertigt. Über dem Kamin hing das Porträt einer Ahnin im Maskenballkostüm; im Goldrahmen steckten unzählige Einladungen, Fotos, Notizen, Postkarten, genauso viele standen auf dem Kaminsims – der übliche Papierwust, mit dem die Oberschicht zeigt, wie unbefangen sie mit ihrer eleganten Umgebung umgeht.
    »Hübsches Zimmer«, sagte ich. »Wo ist Ediths Zimmer? Nebenan?«
    Charles schüttelte den Kopf. »Oben«, murmelte er. »Gleich bei unserem Schlafzimmer.«
    Er sah mich stumm an, und anstatt seinem gequälten Blick standzuhalten, schielte ich zu den Buchrücken in den Regalen

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