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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Mir entging nicht, dass auch Lady Uckfield diese Tatsache registrierte. Garantiert hatte sie vorgehabt, zu ihrer Schwiegertochter in den klapprigen Cortina zu steigen, doch dies erübrigte sich damit. Ich bot ihr und Lord Uckfield Plätze in Adelas Mini an, und mit einem raschen Blick auf Eric, der mit einer Art Tonka Toy/Range Rover aufgekreuzt war, nahmen sie an. Lady Uckfield und ich quetschten uns auf den Rücksitz, Lord Uckfield saß mit Adela vorn. Eric winkte sie ungeduldig zu sich herüber, doch Lady Uckfield tat in ihrer hoheitsvollen Art, als bemerke sie nichts. Wir fuhren los und überließen Bob und Annette Erics cholerischem Fahrstil und einem hoffentlich gnädigen Schicksal.
    »Ich hoffe, er wird nicht angehalten«, sagte Lord Uckfield.
    Lady Uckfield verzog leicht abfällig das Gesicht. »Nun ja«, sagte sie.
    Wir schwiegen eine Weile und dachten wohl alle an Simon und Edith, deren Wagen nirgends in Sicht war.
    Lady Uckfield durchbrach das Schweigen. »Sind solche Häuser nicht erstaunlich? Wer dort wohl hingeht?«
    »Sind das nicht diese Leute, die man ›Yuppies‹ nennt?« Lord Uckfield sprach mit Gänsefüßchen und freute sich, dass er so auf der Höhe der Zeit war.
    »Das können doch nicht nur Yuppies sein. Gibt es überhaupt so
viele davon? In dieser Gegend sicher nicht. Vermutlich kommen auch Amerikaner. Traurig, wirklich traurig.«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Adela. »Ich finde die Umwandlung in Hotels immer noch besser, als wenn Kommunalbehörden dort einziehen oder die Häuser ganz abgerissen werden.«
    »So ist es wohl.« Lady Uckfield nickte zweifelnd. In Wirklichkeit wäre es ihr am liebsten gewesen, wenn diese Häuser immer noch von denselben reichen, über tadellose Umgangsformen verfügenden Menschen bewohnt wären wie vor hundert Jahren. Darin schloss sie sogar diejenigen ein, die sie nicht mochte, wie die de Marneys. Sie sah in den Veränderungen, die das zwanzigste Jahrhundert mit sich brachte, nichts Verdienstvolles. Die Zeit hatte ihr Gedächtnis getrübt, so dass ihr wie den alten Leuten, die sich nur an die glücklichen Tage ihrer Kindheit erinnern, nichts einfiel, was im England ihrer Anfangszeit bedrückend oder abstoßend gewesen war. Ich fand ihre Ansichten interessant. Auch wenn ihr Bild von der Vergangenheit nicht ganz so ungenau und überholt war, wie es ein gewisser kritisch-aggressiver Journalismus gern haben möchte, wurden Lady Uckfields Überzeugungen im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert langsam zur Seltenheit. Sie besaß ein absolutes Vertrauen in das Urteilsvermögen ihrer Klasse, wie man es nach 1914 nur noch selten antraf. Davor war es zweifellos gang und gäbe, weshalb die Gesellschaft der Belle Epoque über ein so entspanntes Weltbild verfügte. Zumindest die Aristokraten.
     
    Simon kramte demonstrativ umständlich nach seinen Autoschlüsseln, so dass alle anderen aus Broughton längst losgefahren waren, als er den Motor anließ. Er drehte sich zu Edith und sah sie an. Sie zog den Mantel enger um sich und lehnte sich gegen das Fenster. Sie waren Spieler mit gleichwertigen Karten in der Hand, nun endlich, vorsätzlich allein. Vorsätzlich, denn etwas in Ediths Schroffheit Charles gegenüber, etwas in der Unverfrorenheit von Simons Angebot hatte ihnen beiden signalisiert, dass der Spaß nun beginnen würde. Wenn Edith Simons laszives Lächeln sah, die leicht gekrümmte Falte
neben seinem Mund, wo sein Bart zu sprießen begann, durchlief sie ein Schauer sexueller Erregung. Die Direktheit ihres Begehrens erschreckte sie. Sie war mit Männern zusammen gewesen, die sie körperlich angezogen hatten; sie erinnerte sich, wie sie den Sex mit George genossen hatte, und es hatte eine Zeit gegeben – zugegebenermaßen vor ihrer Hochzeit –, als sie an der Vorstellung, mit Charles allein zu sein, Gefallen fand. Doch hier waren ganz andere Dimensionen im Spiel. Wenn sie in Simons dunkelblaue Augen sah, wollte sie schlicht und einfach nackt mit ihm sein. Sie wollte seinen harten, nackten Körper an ihrer Haut, tief in sich spüren. Ihr war heiß, sie fühlte sich leicht unbehaglich. Sie spürte, wie ihre Prinzipien von ihr abglitten, ein elektrisierendes Gefühl im Bauch, Entsetzen und Euphorie zugleich. »Sollten wir nicht lieber los?«, fragte sie.
    Simon betrachtete sie aufmerksam. Die blonden Haare fielen ihr über die graublauen Augen, und sie wischte sie mit einer leicht gereizten Bewegung aus dem Gesicht. Sie hatte ihren Mund nach ihren letzten Worten nicht

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