Snobs: Roman (German Edition)
möchte nicht zusehen, wie jemand sie unglücklich macht.«
»Sie ist schon unglücklich.«
Darin lag eine gewisse Wahrheit, auch wenn sie viel weniger zählte, als er und Edith dachten. »Edith ist nicht halb so unglücklich, wie sie es sein wird, wenn du einen albernen kleinen Skandal lostrittst – und das aus keinem besseren Grund, als dass sie greifbar ist und du dich langweilst.« Wieder lächelte er und zuckte mit den Achseln. Meine Schlappe war natürlich vorprogrammiert, da dem lieben Simon kaum etwas ein größeres Vergnügen bereiten konnte als die Bitte, den gleißenden Lichtstrahl seines fatalen Charmes von einem armen Opfer abzuziehen. Hier saß ich und flehte vor dem hohen Herrn um Erbarmen mit einer armen Maid. Er war entzückt. Ich fuhr ein neues, etwas unfaires Geschütz auf: »Was ist mit deiner Frau?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Wird ihr die Sache nicht furchtbar zusetzen?«
Dieser Gedanke bereitete ihm zu meiner Freude doch ein gewisses Unbehagen – oder zumindest Verdruss. »Wer wird es ihr sagen? Du doch nicht.« Das war so weit natürlich richtig, und einen Augenblick lang fragte ich mich, ob ich nicht aus einer Mücke einen Elefanten machte, als es hinter mir an die Fensterscheibe klopfte. Ich drehte mich um und sah zu meinem fassungslosen Erstaunen Edith, die ein Hermès-Tuch lose um den Kopf geschlungen hatte und wie Cathy
Earnshaw aus Sturmhöhe ans Fenster pochte und im Dunkel der Nacht um Einlass flehte. Simon jedoch war kein Heathcliff, und so war ich es, nicht er, der aufsprang und die Hintertür öffnete.
»Was, zum Teufel, machst du denn hier?«, fragte ich, doch sie schob sich an mir vorbei und schlenderte zum Herd hinüber, um sich die Hände zu wärmen.
»Schimpf du nicht auch noch mit mir. Davon hatte ich heute Abend schon genug, kann ich dir sagen.«
»Weiß Charles es schon?«
»Natürlich. Eric hat es ihm gesagt.«
»Aber weiß er, dass du hier bist? Und warum bist du überhaupt hier, um Himmels willen? Mach nicht alles noch schlimmer, als es sowieso schon ist.«
Simon hatte sich die ganze Zeit weder gerührt noch ein Wort gesagt. Jetzt erhob er sich mit bedächtigen Bewegungen vom Stuhl, stellte sein Glas ab, ging zu Edith hinüber, nahm sie langsam – damit ich in den vollen Genuss des Spektakels käme, vermutlich – in die Arme und beugte den Kopf, um sie küssen – ein feuchter, hungriger Zeitlupenkuss des modernen Filmstars in Großaufnahme. Er sah aus, als würde er ihre Zunge verspeisen. Einen Augenblick lang sah ich zu, wie sich ihre blonden Köpfe wiegten, und wie die Geister im Zelt Richards III. erschienen mir hinter ihnen Charles und seine Mutter und die unglückliche Mrs. Lavery, deren Träume in einer Bauernküche in Sussex in Schutt und Asche versanken. Und hinter ihnen in einigem Abstand die Cumnors und die alte Lady Tenby und ihre Töchter, dazu alle anderen, die die Sache ungemein spannend finden würden und insgeheim (oder sogar offen) vom Zerstörungswerk entzückt wären, das diese beiden Wirrköpfe anrichteten.
»Na?«, fragte Adela, der ich einen Bericht versprochen hatte, bevor ich mich schlafen legte. Sie drehte sich im Bett herum und blinzelte ein paar Mal, um sich besser zu konzentrieren.
»Hoffnungslos«, sagte ich.
»Wollte er dir nicht zuhören?«
»Er hat es sogar enorm genossen, fürchte ich. Viel habe ich ohnehin
nicht gesagt. Ich wollte gerade loslegen, da tauchte Edith auf. Sie ist immer noch unten.«
Adela war zunächst sprachlos. »Oh«, sagte sie nach einer Weile. Und dann: »Also hoffnungslos. Der arme Charles.« Und sie vergrub sich wieder in ihr Kissen und zog die Decke über den Kopf.
Einige Zeit später machte ich ihr einen Antrag und wurde erhört. Ich muss gestehen, dass darauf eine ziemlich angespannte Phase folgte, in der ich von einer endlosen Reihe missbilligender Verwandter meiner Angebeteten unter die Lupe genommen wurde. Der Gedanke, dass das Wohl ihrer geliebten Adela künftig von einer Bühnenkarriere abhing, brachte die meisten von ihnen ernsthaft aus der Ruhe. »Nun, ich kann dir nur viel Glück mit diesem künstlerischen Temperament wünschen«, bemerkte dazu eine besonders unangenehme Tante. Nach zwei Monaten solcher Vorstellungsprozeduren wünschte ich mir dringend ein Ende des Wartens herbei. Wir beschlossen, im April zu heiraten, und da dies ein bekanntermaßen unbeständiger Monat ist, wollten wir die Hochzeit in London abhalten. Wie Adela meinte: »Landhochzeiten können eine recht
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