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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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entsteht der Eindruck jener unerschütterlichen aristokratischen Solidität, die Charles zutreffend, wenn auch unbewusst, für das tragende Element seiner Persönlichkeit wie seines Lebensstils hielt. Wir bestellten gleich beim Betreten des Saals und suchten uns einen Zweiertisch an der Wand, abseits von den Fenstern.
    »Ich glaube, dass mich Edith verlassen hat.« Diese Erklärung war so knapp, dass ich zuerst annahm, mich verhört zu haben.
    »Was meinen Sie mit glauben ?« Ich begriff nicht ganz, wie man sich in solchen Dingen täuschen kann.
    Er räusperte sich. »Nun, vielleicht sollte ich sagen, sie glaubt, dass sie mich verlassen hat.« Er zog die Augenbrauen hoch. Vermutlich musste er, um dieses Gespräch überhaupt führen zu können, das Ganze etwas von sich wegschieben. Als würde er mir eine Klatschgeschichte über jemand anderen erzählen. »Sie hat mich angerufen. Sie hat eine Wohnung in der Ebury Street gemietet. Offenbar haben sie vor, dort gemeinsam einzuziehen.«
    Ich glaube, die zuständige Redewendung ist hier: »Die Welt geriet ins Wanken.« Meine erste, reichlich unwürdige Antwort war, ich könne nicht glauben, dass Edith so etwas Dummes tun würde, bevor der Skandal sie dazu zwang. »Was hat sie denn als Erklärung vorgebracht?«
    »Nur, dass sie sich lieben. Davor sei sie sehr unglücklich gewesen. Niemand ist schuld und solches Blabla … Sie wissen schon. Das Übliche eben.« In diesem Moment kamen meine eingelegten Krabben, denen gleich Charles’ Avocado folgte. Ich versuchte die Gesprächspause zur Sammlung meiner Gedanken zu nutzen, doch mir wollte partout nichts Vernünftiges einfallen, was ich hätte sagen können. So tat ich einen ziemlichen Fehlgriff: »Wer weiß sonst noch davon?«
    »Sie klingen wie meine Mutter.«
    Bei ihrer Erwähnung sehnte ich mich danach, dass Lady Uckfield das Ruder ergreifen und alle aus diesem fürchterlichen Kuddelmuddel heraussteuern möge. Sie hätte noch so jung sein können – nicht im Traum hätte sie sich einfallen lassen, eine Mietwohnung in der Ebury Street mit einem verheirateten Schauspieler zu teilen. »Weiß Ihre Mutter Bescheid?«
    »Nicht in allen Einzelheiten. Edith hat mich vor ein paar Tagen angerufen. Als ich Ihnen die Zeilen schickte. Seitdem habe ich mich ziemlich zurückgezogen. Ich sehe keinen großen Vorteil darin, dem Sturm zu trotzen, wenn sich der Sturm selbst vermeiden lässt.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich schon die Artikel, die in denselben Blättern erscheinen würden, die sich vor kaum zwei Jahren auf Edith als Charles’ Zukünftige gestürzt und mit einer solchen anbiedernden Liebe zum Detail über die Hochzeit berichtet hatten. Ich kenne den hochmoralischen Ton nur zu gut, den die rotnasigen Alkoholiker unter den Journalisten so gern anschlagen, wenn sie sich über die Fehltritte der Großen auslassen. Und Edith hatte sich zu ihrem Geschöpf gemacht, hatte sich den Kolumnisten als Spielball ausgeliefert, den sie nun nach Belieben in Stücke reißen konnten.
    »Lässt er sich denn vermeiden?«
    »Ich weiß nicht. Dazu brauche ich Ihre Hilfe.«
    Als ich das hörte, flaute meine Begeisterung natürlich ab. Das war mir alles zu hautnah. Ich hätte mich so gern vom inneren Kern der Familie wieder in die Rubrik »Ferner liefen« zurückgezogen. Was wissen schon die Amerikaner, wenn sie lockere Bekanntschaft gegenüber echter, aufrichtiger Freundschaft gering schätzen? Gesellschaftliches Miteinander hat seinen größten Reiz, wenn man in malerischer Umgebung köstliche Dinner, behagliche Wochenenden, Klatschgeschichten miteinander teilt, und das alles ohne echte Nähe, ohne Verantwortung. Ich bin meinem Wesen nach ein Beobachter. Es ist mir lästig, in die Rolle des Handelnden gezwungen zu werden.
    »Würden Sie sie denn wieder aufnehmen?«
    Charles reagierte auf diese Frage beinahe mit Verwirrung. »Wie meinen Sie das? Sie ist meine Frau.«
    Es ist schwer zu erklären, warum mich diese Worte so bewegten, aber dies war der Fall. Es kommt mir merkwürdig vor, so etwas in unserer Zeit reißerischer Sensationshascherei niederzuschreiben, doch in diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich einen guten Menschen vor mir hatte, einen Mann, auf dessen Wort man sich verlassen konnte, einen Mann, dessen Moral nicht nur aufgesetzt war. Was konnte Edith in der Umarmung ihres Talmiliebhabers finden, das mehr wert wäre als diese felsenfeste Verbundenheit, die nichts in Frage stellte? Charles geriet über seiner edlen Erklärung fast

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