Snobs: Roman (German Edition)
ihren einzigen Sohn zum Weinen brachte.
14
»Was war da eigentlich los, bitte schön?«, fragte Adela, sobald wir losfuhren.
»Was soll los gewesen sein?«
»Na, erst verschwindet ihr beide und alle schauen betreten drein. Dann verschwindet Eric. Kurz ist Ruhe, dann rennen plötzlich alle möglichen Leute zur Tür rein und raus wie im Kasperltheater und sehen fix und fertig aus. Ich sitze die ganze Zeit bei Lord Uckfield, der mir etwas über Forellenzucht zu erklären versucht. Wo hast du denn gesteckt? Ich dachte schon, ich müsste klingeln und um ein Bett bitten.« Ich erzählte ihr natürlich alles und wir schwiegen eine Weile. Adela nahm den Faden wieder auf: »Was kannst du Simon schon sagen? Gib diese Dame frei? Gibt er dir dann nicht eins auf die Nase?«
»Ich glaube nicht. Danach sieht er nicht aus.«
»Also?«
Ich hatte keine Antwort parat, weil ich mir selbst nicht so recht vorstellen konnte, wie ich diese äußerst peinliche Szene hinter mich bringen sollte. Und welches Recht hatte ich, in dieser Angelegenheit überhaupt den Mund aufzumachen?
Adela lieferte mir mein Motiv. »Du wirst wohl einfach dein Bestes für die arme Edith tun müssen. Es wäre doch eine Schande, wenn sie nach solchen Anstrengungen alles verpatzt. Und das wegen eines solchen Niemands.«
Als wir zur Brook Farm kamen, saß Simon am Küchentisch vor einem Glas Wein. Er schien in Redelaune, als wollte er einiges bei mir abladen, weshalb er wohl noch nicht ins Bett gegangen war; allerdings konnte er nicht ahnen, dass ich schon wusste, was er abzuladen hatte. Ein beunruhigendes Zeichen. Bella und ich hatten bereits
entdeckt, dass Simon gern seine amourösen Abenteuer vor anderen ausbreitete, obwohl er ständig liebevoll von seinen Kindern und ihrer Mutter redete, die zu Hause auf ihn warteten. Da wusste ich noch nicht, dass für ihn der Ruhm genauso reizvoll war wie die Tat selbst, ein höchst gefährlicher Zug für einen verheirateten Lover verheirateter Frauen. Adela ging gleich in ihr Zimmer hoch und ich nahm beklommen das Glas Wein an, das Simon mir anbot. Eine Weile saßen wir schweigend da. Schließlich konnte er seine Ungeduld nicht länger zügeln. »Ganz gut gewesen, der Abend, was?«, sagte er.
Ich nickte ohne rechte Überzeugung. »Ja. Ich fand das Essen ziemlich schrecklich. Der arme Bob. Er ist bei der Rechnung ganz schön blass geworden.« Wieder entstand eine Pause. Vermutlich wusste keiner von uns so recht, wie er das Thema anschneiden sollte, das uns beide so stark beschäftigte. Dieses Mal versuchte ich es mit dem Eröffnungszug. »Du bist nicht mehr reingekommen.«
Simon schüttelte den Kopf. »Es gab da einen blöden Auftritt mit diesem grauenhaften Schwiegersohn, als wir zurückkamen. Ich dachte, ich verschwinde lieber.«
Das also war das Malheur. Kein Wunder, dass Simon darüber reden wollte. Eric hatte seine Anwesenheit nicht verheimlicht. Damit sank die Chance, dass er sein Geheimnis für sich behalten würde, auf null. Eric hatte eine Szene gemacht. Das passiert meiner Erfahrung nach nur dann, wenn jemand eine Szene machen will. »Ich habe davon gehört«, sagte ich.
Simon blickte hoch. »Ach ja? Von wem? Doch nicht von Edith?«
Ich schüttelte den Kopf. »Von Charles’ Mutter.«
Das war für ihn nun doch ein kleiner Schock, wie es sich auch gehörte. Aber noch während in Simons Gesicht eine verlegene Röte aufstieg, weil er ertappt worden war, deutete sich in seinem leisen Lächeln ein verhängnisvolles Vergnügen an der Hauptrolle an, die er in einem aus seiner Sicht romantischen Drama spielte. Mir sank der Mut noch weiter bei der Erkenntnis, dass Simon mit der perversen Freude des Schauspielers an Krisensituationen die Aussicht auf skandalösen Ruhm bald genießen würde. »Weiß Charles davon?«
»Er wusste nichts, als ich gegangen bin. Sollte er davon wissen? Gibt es etwas zu wissen?«
Simon ließ sich nicht so leicht unterkriegen. Er lachte leise vor sich hin, zuckte mit den Achseln und schenkte sich noch einen Schluck ein. Ich versuchte, eine möglichst väterliche Miene zustande zu bringen. »Mach bloß keinen Ärger, Simon.« Doch er lächelte bloß und zwinkerte mir mit der aufreizenden sexuellen Siegesgewissheit eines Mannes zu, der nie eine Abfuhr bekommt und glaubt, moralische Gesetze wären nur für die gemeinen Sterblichen gemacht, aber nicht für ihn. Jetzt konnte ich nur noch an sein besseres Selbst appellieren. »Edith ist eine alte Freundin von mir.«
»Ich weiß.«
»Ich
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