Snow Angel
wenn du morgen mit runterkommst und alles Nötige anschiebst. Jetzt mache ich uns erst mal Tee.“
Simon tritt hinter sie, schiebt ihr den Bademantel auf und legt seine Hände auf ihren nackten Bauch. Mit einem Schrei entwindet sie sich.
„Manno, du hast ja eiskalte Hände!“
„Was hast du erwartet? Man kommt müde von des Tages Last heim, findet seine nackte Frau vor und darf sich nicht einmal die Hände wärmen?“
Nina kann nicht mehr an sich halten. Mit einem Ruck dreht sie sich zu ihm um. „Simon, ich muss etwas mit dir besprechen!“
„Oh, so ernst?“
„Ja, sehr ernst! Ehe ich 'deine Frau' sein kann, sofern du das überhaupt so meinst, wie du es sagst, muss ich ein paar Dinge zwischen uns eindeutig geklärt haben. Und es ist sogar so ernst, dass ich das nicht halbnackt im Stehen mit dir bereden will, sondern einigermaßen kultiviert bei einer Tasse Tee in bekleidetem Zustand. Ich habe inzwischen etwas gefunden, Simon! Es geht um Laura. Und es duldet keinen Aufschub mehr für mich. Sag mir bitte, ob du bereit bist, wirklich mit mir zu reden. Ich muss das jetzt wissen, sonst ziehe ich mich an und verschwinde. Egal, ob es stürmt oder schneit. Endgültig!“
Er sieht sie an und begreift. „Zieh dich an, ich mache den Tee fertig!“
9. Kapitel
Nina nutzt die wenigen Augenblicke allein, sich über ihre Lage klar zu werden. Sie hat ihm vor wenigen Stunden noch Geduld versprochen. Dieses Versprechen hätte sie auch gehalten, wenn sie nicht gerade zufällig diese entsetzliche Entdeckung gemacht hätte. Wie soll sie nun mit ihm umgehen, auf welch tönernen Füßen wird ihre zarte Liebe stehen, wenn das, was so unübersehbar zwischen ihnen schwebt, nicht thematisiert, wenn irgend möglich fortgeräumt wird? Unter gar keinen Umständen erträgt sie die Unsicherheit, die sich jetzt bleischwer auf ihre Schultern gesenkt hat.
Ich will ihn nicht verlieren, kaum dass ich ihn gewonnen habe! Habe ich ihn überhaupt …? Was tue ich überhaupt noch hier, wenn es nicht so ist? Ich kann laufen, ich bin gesund. Ich kann weggehen. Ich will nur bleiben, wenn ich sicher sein kann, dass er mich wirklich will. Mich! Nicht eine Anziehpuppe, die ihn erinnert!
Nina strafft sich und tritt vor den Kamin. Simon hat sich im Ohrensessel niedergelassen. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er sie nicht ganz nahe bei sich haben will. Gedankenverloren starrt er ins Feuer. Die Schultern hochgezogen, die Ellbogen auf den Knien, die Tasse mit dampfendem Tee in beiden Händen. Seine ganze Haltung ist eine einzige Ablehnung.
Als er sie bemerkt, weist er mit einer Kopfbewegung auf das Sofa. Nina setzt sich. Und sein Blick geht zwischen ihr und dem verräterisch unter dem Tisch hervorlugenden Zeitungsstapel hin und her. Es entgeht ihr nicht.
„Du weißt, was ich ahne?“
Er nickt. Seine Kiefermuskulatur ist angespannt. Zwischen seinen Brauen steht senkrecht eine tiefe Falte.
„Und? Habe ich recht?“
Wieder nickt er, scheint mit sich zu ringen, nach den richtigen ersten Worten zu suchen. Lähmende Minuten des Schweigens vergehen. Das flackernde Feuer beleuchtet seinen gequälten Gesichtsausdruck. Zwischen Hoffen und Bangen sieht sie seine Mühe, sich zu öffnen, ahnt, wie die Gedanken hinter seiner Stirn fliegen, nicht bereit, sich einfangen und formulieren zu lassen.
Es wird zu nichts führen, wenn ich weiter warte. Ich muss etwas tun, ich muss ihm signalisieren, dass es mir wichtig ist, dass ich es ehrlich meine, dass ER mir wichtig ist! Er kann nicht beginnen. Ich muss ihm eine Brücke zu mir bauen.
„Simon! Ich liebe dich!“
Die Worte, in vollkommenem Ernst gesprochen, mit klarer, warmer Stimme ausgesandte Botschafter, nehmen ihren Weg. Sie scheinen Meere und Gebirge überwinden, dunkle Tunnel und tiefe Wälder queren zu müssen. Und winden sich doch durch jeden Widerstand, jede Kruste, jede Mauer, die sich ihnen in den Weg stellen möchte.
Sie bemerkt, wie seine Schultern sich lockern, erkennt, wie er seine krampfhafte Haltung aufgibt, den Kopf wendet und sie schließlich direkt ansieht. Simon nickt und sein Lächeln nimmt ihr die Angst. Diese Angst, sich viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, sich lächerlich gemacht, sich etwas vergeben zu haben. Sie steht auf, kniet sich vor den Sessel, legt ihm den Kopf in den Schoß.
Ihr Bekenntnis und diese vertrauensvolle Geste lösen ihm die Zunge und machen den Weg frei.
Nina hat nicht erwartet, nun Liebesschwüre von ihm zu
Weitere Kostenlose Bücher