Snow Angel
Milch und Zucker einzurühren, sagt der Alte mit dreckigem Lachen: „Gut machst du das, Püppi! Kannst meine persönliche Bedienung übernehmen.“
Cornelia spürt, dass Frederic sich die Unverschämtheiten nicht mehr lange mit anhören wird. Er kann gerade noch Westphals Hand ergreifen, die er zweifellos gehoben hat, um der Kommissarin kräftig auf den Hintern zu klatschen.
„Freundchen, reiß dich zusammen! Es wäre denkbar, dass du es gleich sehr unangenehm mit mir zu tun bekommst.“
„Schon gut, schon gut“, murmelt der Wilderer und widmet sich mit gesenktem Kopf seiner Kaffeetasse.
„Herr Westphal, ich kann Ihnen die gute Botschaft überbringen, dass die Beamten gestern in Ihrem Haus den Hund gefunden haben. Er ist gut versorgt.“
„Der Scheißköter? Unnützer Fresser, zu nichts zu gebrauchen. Schon gar nicht mehr zur Jagd!“, schimpft der Mann.
In Cornelia beginnen alle Sicherungen langsam zu glühen. Sie muss tief durchatmen, um die nächste Frage möglichst mit freundlicher, gleichmütiger Stimme formulieren zu können. „Damit wären wir dann auch gleich beim Thema, Herr Westphal. Wir haben ja in Ihrem Haus nicht nur den Hund gefunden, sondern eine ganze Reihe Waffen, Tierfelle, Fallen und weitere Utensilien, die zur Jagdausübung benutzt werden. Wir wissen bereits von unseren Kriminaltechnikern, dass keine einzige Waffe auf Ihren Namen registriert ist. Können Sie uns etwas dazu sagen, woher die Waffen stammen?“
„Gefunden!“, schnarrt der Alte.
„Gefunden?“, schaltet sich Frederic mit eisigem Tonfall ein. „Vier Stück? Und die Fallen? Auch gefunden? Vielleicht sogar die toten Hasen, die in Ihrem Schuppen hängen? Auch gefunden?“
„Klar, alles gefunden!“, gackert Westphal und grinst zahnlos unter seinem grauen Kaiser-Wilhelm-Bart.
„Ja nee, schon klar, alles gefunden!“, wiederholt Frederic sarkastisch. „Wissen Sie was, Herr Westphal? Es täte Ihnen verdammt gut, ein bisschen mit uns zusammenzuarbeiten und nicht zu versuchen, uns derartige Märchen aufzutischen. Die Wilderei ist eine Sache. Hinzu kommen aber noch allerhand weitere Delikte, die erheblich schwerer wiegen dürften. Versuchen wir es doch erst mal mit einem guten Gespräch über versuchten Mord!“
„Wieso versuchter Mord?“, schnarrt Westphal empört. „Der feine Herr Doktor hat eine Waffe auf mich gerichtet. Ist doch klar, dass ich mich da schütze. Und das Mädel stand da eben so rum.“
„Sie haben gedroht, sie in die Schlucht zu stoßen!“
„Wer sagt das? Das Mädel? Lügt doch, die blöde Ziege. Hat doch auch was mit dem Doktor!“, empört sich der Mann.
Cornelia weiß, dass es ohne Einsicht in die Vernehmungsprotokolle der weiteren Beteiligten ein dünnes Eis ist, auf das Frederic die ganze Sache gerade gebracht hat. Sie muss einen anderen Strang weiterverfolgen.
„Herr Westphal, lassen wir doch dieses Thema erst mal“, lenkt sie ein. „Ich habe hier noch etwas viel Interessanteres, das die Kollegen gestern in Ihrer Hütte gefunden haben. Können Sie uns Angaben über die Herkunft dieses ungewöhnlichen Schmuckstückes machen?“
Sie schiebt ihm das Foto über den Tisch.
Interessiert hebt der Alte den Kopf und erstarrt. Cornelia glaubt sich auf einer heißen Spur und sieht ihn erwartungsvoll an. Dass er sich so schnell fangen würde, hätte sie nicht gedacht. Die Starre weicht schnell einem ausgesprochen feuchten Lachen.
„Gefunden, Schätzchen. Gefunden!“, behauptet er gelassen und lümmelt sich entspannt in seinen Stuhl.
Ein warnender Blick an Frederic, der hinter Westphal steht, bremst dessen beabsichtigtes Eingreifen ob der erneuten Entgleisung.
„Wo denn?“
„Im Wald! Ich finde immer alles im Wald. Schließlich bin ich ein passionierter Wanderer. Was glauben Sie, was die Leute im Wald alles verlieren!“
„Ja klar, teure Schmuckstücke, Waffen, abgezogene Felle! Was versuchen Sie uns hier eigentlich zu erzählen? Glauben Sie, solche Geschichten entlasten Sie in irgendeiner Form?“, fragt Frederic scharf. „Lassen Sie sich doch mal was Neues einfallen.“
Die Züge des Wilderers erhellen sich plötzlich, als wäre ihm eine ausgezeichnete Idee gekommen.
„Das habe ich wirklich im Wald gefunden“, sagt er und wendet sich mit einem verschwörerischen Ausdruck an Cornelia. „Aber nicht einfach so!“ Triumphierend sieht er sie an als er fortfährt. „Dazu gibt’s ne nette Geschichte. Die muss ich Ihnen doch direkt mal
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