Snow Angel
können?“
Diesen zermarterten Gesichtsausdruck kennt sie mittlerweile nur zu gut und sie möchte ihn nicht mehr so sehen müssen. Nina möchte ihn glücklich sehen. Mit schief gelegtem Kopf lächelt sie ihn an und streckt ihm eine Hand hin. „Das fragst du noch? Das habe ich doch längst! Wäre ich sonst hier?“
Er nimmt ihre Hand und lässt sich zu ihr auf das breite Bett ziehen. „Du hast am Samstagabend gesagt, wir hätten den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.“
Nina sagt nichts, nickt nur und lässt ihn weiter reden.
„Weißt du, was ich glaube?“
Sie schüttelt den Kopf. Endlich ist er offenbar in der Lage, all seine Gedanken zu formulieren, will es jetzt loswerden und sie möchte ihn nicht mehr unterbrechen.
„Ich glaube, wir hätten gar nicht anders gekonnt! Du kannst es eine 'schicksalhafte Begegnung' nennen oder 'die Macht der Liebe'. Eigentlich ist es wurscht, wie man es bezeichnet. Aber es sollte einfach so sein, dass wir uns begegnen. Wo lernt man denn normalerweise seinen Partner kennen? Doch nicht in so einer abgefahrenen Situation! Man lernt ihn beim Sport, im Job, weiß der Geier, in irgendwelchen ganz alltäglichen Situationen kennen. Was uns da aber passiert ist, das ist so ungewöhnlich, das gibt's doch eigentlich gar nicht. Und wir hatten keine andere Chance, als uns entweder aufeinander einzulassen oder eben nicht. Bevor du kamst, Nina, hätte mich keine Frau von Laura trennen können. Ob sie nun da ist oder nicht. Ob sie nun lebt und wiederkommt oder irgendwo tot liegt. Aber als ich dich im Schnee gefunden habe, waren doch schon alle Weichen gestellt! Es brauchte nur seine Zeit, bis ich das begriffen habe. Mein Muster war so eingefahren, dass ich wirklich zuerst dachte, ich müsste dich 'richtig kennenlernen' und mich zwischen dir und ihr nach einer irgendwie gearteten Testzeit X entscheiden. Hubert hat auch versucht, mir das einzubläuen. So geht das aber nicht. Wir MUSSTEN den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Ich wäre nie wieder an der Oberfläche des Lebens aufgetaucht, wenn ich mir so ganz 'normal' eine Frau hätte suchen sollen. Irgendwer oder irgendwas hat unsere Schicksale in die Hand genommen und sie zusammengefügt. Und es ist gut so und was auch immer passieren wird ...“
Simon bricht ab, greift ihre Hände und sieht ihr fest in die Augen, als er seinen Satz beendet. „Ich will nichts anderes mehr und ich will keine andere mehr. Auch nicht Laura!“
Fast atemlos hat er ihr seine Gedanken vorgetragen. Nina legt ihre Stirn auf seine Hände und lässt die Worte wirken. In ihr weicht die letzte Angst. Ein irres Glücksgefühl enthebt sie jeden zaghaften Vorbehaltes. Sie will es jetzt ganz genau wissen.
„Wann ist dir das klar geworden?“
„Hubert hat mich an dem Abend in den 'Hirschen' geschleppt und mich abgefüllt. Er meinte wohl, nach einem anständigen Vollrausch würde ich klarer denken können.“
„Und du konntest klarer denken?“ Sie hebt den Kopf und sieht ihn direkt an.
„Ja. Ich habe mich mit logischen Erklärungen zum Thema Laura auseinandergesetzt. Zweieinhalb Jahre, Nina! So lange Zeit. Verdammt, ich bin damals sechsundzwanzig gewesen und habe gedacht, mein Leben ist zuende! Laura hat für immer ihren Platz in meinem Herzen, aber ich kann auch nicht ewig nur von der Erinnerung leben. Da verhungert man doch. Und ganz ehrlich: Leben konnte man das ja schon fast gar nicht mehr nennen. So ganz ohne Liebe ...“
Er sieht sie an, als würde er eine Art Absolution von ihr erwarten, als er fortfährt. „Zuerst habe ich mir nur vorgenommen, uns eine Chance zu geben, dich besser kennen zu lernen, damit ich mich 'vernünftig' entscheiden kann. So ganz klassisch mit Verstand und Blabla. Das wars aber nicht. Die Idee war für'n Arsch. Weißt du, was wirklich wichtig war? Ich konnte auf einmal wieder fühlen! Und dann haben mich meine Gefühle letztlich doch wieder um den Verstand gebracht. Wenn du also von mir hören willst, dass ich mich mit Bedacht und ganz kühl und vernünftig entschieden habe, dann muss ich dich enttäuschen. Wenn dir aber mein Herz und mein Bauch ausreichen, dann ...“
Nina unterbricht ihn, kniet sich auf das Bett und nimmt ihn in die Arme.
„Nicht nur 'ausreichen', Simon! Nach vernünftigen, sachlichen Überlegungen kauft man Waschmaschinen. Ich glaube, die Liebe hat's nicht so mit der Vernunft. Und wir wären bescheuert, wenn wir sie nicht einfach mal machen lassen würden“, sagt sie
Weitere Kostenlose Bücher