Snow Angel
trotziges Triumphgesicht und sie muss furchtbar über sich lachen. Als sie ins Schlafzimmer zurückkommt, steht er in einem langen schwarzen Kimono da und lässt gerade den Korken aus der Champagnerflasche rutschen.
„Och Mensch, du bist ja immer noch nackt! Sehe ich ja gerne, aber bestimmt wird dir zu kühl. Warte mal, ich habe da was.“
„Um Himmels willen, nein Simon, bitte nicht schon wieder was aus dem Kleiderfundus deiner ...!“, sagt sie entsetzt.
Lächelnd schüttelt er den Kopf. Er versteht ihre Angst sehr gut. „Keine Sorge! Ich habe mal vor ein paar Jahren eine Reise nach Japan gemacht. Und dabei festgestellt, wie praktisch Kimonos sind. Da die dort unglaublich günstig zu bekommen waren, habe ich gleich einen ganzen Satz mitgebracht. Ein paar habe ich bei passenden Gelegenheiten schon an die weibliche Verwandtschaft verschenkt. Sind immer gut angekommen. Aber ich habe noch einen besonders hübschen. Ich glaube, der hat auf genau diesen Moment gewartet. Und den bekommst du jetzt.“
Simon nimmt ein Päckchen aus seinem Kleiderschrank. Eingewickelt in rotes Seidenpapier mit einem fremdartigen Siegel über zwei feinen Goldkordeln, besteht kein Zweifel daran, dass es sich nicht um ein Recyclingmodell aus alten Beziehungen handelt, das er ihr überreicht. Nina liebt Geschenke und öffnet vorsichtig voller Spannung die Verpackung. Sie nimmt eine lange weiße Seidenschönheit aus dem Papier. Auf den Rücken ist kunstvoll ein rotgoldener Paradiesvogel gestickt. Sie strahlt, als sie den Kimono überstreift, läuft ins Bad und betrachtet sich in den Spiegeln, dreht sich davor, läuft zu ihm zurück und fällt ihm um den Hals.
„Oh, ist der wunderschön! Dankedankedanke!“
„Einer Königin würdig“, raunt er und küsst sie zärtlich.
Simon schenkt den Champagner ein und reicht ihr ein Glas.
„Worauf stoßen wir an?“, fragt Nina.
„Auf die Liebe. Auf unsere Liebe!“, antwortet er und sieht sie dabei sehr ernst an.
Leise klirren die Gläser aneinander. Und es braucht nur drei Schlucke und ein paar Augenblicke, bis Nina sich schon wieder in den unvermeidlichen leichtsinnigen Zustand versetzt sieht, den Alkohol bei ihr auslöst. Dabei hat sie noch so viele Fragen, die sie ihm stellen will. Und sie will das mit der Ernsthaftigkeit tun, die sie für angemessen hält.
„Oh, oh, ich sehe schon, meine Schneekönigin ist mal wieder strunzelig“, erkennt er amüsiert „Dann hör einfach zu! Ich muss dir nämlich ein paar Dinge sagen, die wichtig sind.“
Nina setzt sich im Schneidersitz auf das breite Bett. Die Ellbogen stützt sie auf die Knie und den Kopf in die Hände. Erwartungsvoll sieht sie zu ihm auf. „Ja, sag du erst mal. Aber willst du dich nicht zu mir setzen?“
„Später! Ich habe jetzt nicht die nötige Ruhe, mich gemütlich ins Bett zu lümmeln. Seit du gestern verschwunden bist, haben Gedanken in meinem Kopf gewühlt, die ich erst für mich ordnen musste. Bisher habe ich noch nie mit irgendjemandem richtig darüber gesprochen. Ich fange mal an der Stelle an, als du mir abhanden gekommen bist. Irgendwann waren alle weg und mir wurde klar, dass ich weder genau wusste, wer du bist noch wie ich dich wiederfinden kann. Es ging mir unglaublich dreckig. Hubert hatte dich zwar nach Hause gebracht und wusste, wo du wohnst, wollte mir aber partout nicht sagen, wie ich dich finden kann. Er meinte, dass ich zuerst mit mir ganz im Reinen sein muss.“
„Siehst du, das habe ich doch vorgestern Abend auch gemeint“, nickt Nina. „Ich hatte das Gefühl, es steht eine dicke Wand zwischen uns, die ich mit aller Kraft und Liebe nicht wegschieben konnte. Deshalb musste ich gehen. Es war so schrecklich. Und tat wahnsinnig weh. Aber es ging nicht anders. Nachdem du mir von ihr erzählt hattest, war sie so gegenwärtig, dass ich dachte, ich komme gar nicht mehr zu dir durch. Ich habe sogar geträumt von euch beiden. Und als ich dann aufgewacht bin, wollte ich nur noch weg.“
Simon steht vor ihr, an den gedrechselten Bettpfosten gelehnt, und schüttelt langsam mit gequältem Gesichtsausdruck den Kopf. „Hubert ist ein alter Freund meines Vaters und irgendwie immer für mich dagewesen. Ich habe viel von ihm gelernt und weiß, dass er oft recht hat, wenn er mir Ratschläge gibt. Er hat mir den Marsch geblasen, weil er schnell erkannt hat, dass ich dich schlecht behandelt habe. Und ich habe dich verdammt schlecht behandelt! Wirst du mir das verzeihen
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