Snow Crash
Quittung und murmelt, daà sie eine Unterschrift und die Telefonnummer braucht. Sie hätte ebenso gut Lateinisch sprechen können, aber das macht nichts, da die Kundin mit der Liturgie vertraut ist und unterschreibt und die Nummer einträgt, noch bevor das Mädchen richtig zu Ende gesprochen hat.
Danach ist nur noch das Okay von Ganz Oben erforderlich. Aber Computer und Kommunikationsnetze sind heutzutage schrecklich gut, daher dauert es für gewöhnlich nicht länger als ein paar Sekunden, die Gültigkeit der Karte zu bestätigen. Die kleine Maschine piepst den Genehmigungscode, himmlische Melodeien ertönen aus blechernen Lautsprechern, und eine groÃe Doppeltür aus Perlmutt am hinteren Teil des Raums öffnet sich majestätisch.
»Danke für Ihre Spende«, sagt das Mädchen und nuschelt die Worte zu einer einzigen Silbe zusammen.
Die Kundin stapft zu der Doppeltür, zu der sie von hypnotischen Orgelklängen gezogen wird. Das Innere der Kapelle ist seltsam gefärbt und wird teilweise von Neonlichtern an der Decke und teilweise von groÃen bunten Lichtboxen erhellt, die Buntglasfenster simulieren sollen. Die gröÃte, in der Form eines dicken, fetten gotischen Bogens, ist an der hinteren Wand festgeschraubt, über dem Altar, und stellt eine leuchtende Dreieinigkeit dar: Jesus, Elvis und den Reverend Wayne. Jesus hat den höchsten Platz. Die Kundin geht ein Dutzend Schritte hinein, dann läÃt sie sich mitten in dem Raum auf die Knie fallen und fängt an, in Zungen zu sprechen: »ar ia ari ar isa ve na a mir ia i sa, be na a mir ia a sar ia...«
Die Tür schwingt wieder zu.
»Einen Moment«, sagt das Mädchen und betrachtet Y.T. etwas nervös. Sie geht um die Ecke, bleibt mitten im Spielbereich
stehen, wo der Saum ihres Gewands sich versehentlich im Kampfmodul der Ninja-FloÃ-Krieger verfängt, und klopft an die Tür des Klos.
»Besetzt!« sagt eine Männerstimme auf der anderen Seite der Tür.
»Die Kurierin ist hier«, sagt das Mädchen.
»Komme gleich«, sagt der Mann etwas ruhiger.
Und er kommt wirklich gleich heraus. Y.T. bemerkt keine Wartezeit, kein Hochziehen des ReiÃverschlusses, kein Händewaschen. Er trägt einen schwarzen Anzug mit Priesterkragen und zieht einen leichten schwarzen Talar darüber, als er den Spielbereich durchquert und dabei winzige Actionsfiguren und Starfighter unter den Sohlen seiner schwarzen Schuhe zerquetscht. Sein Haar ist schwarz und dick pomadisiert, mit vereinzelten grauen Strähnen, und er trägt eine Nickelbrille mit leicht braun getönten Gläsern. Er hat sehr groÃe Poren.
Und als er nahe genug ist, daà Y.T. diese Einzelheiten alle bemerkt, kann sie ihn auch riechen. Er riecht nach Old Spice, sein Atem deutlich nach Erbrochenem. Aber nicht nach Alkohol.
»Gib das her«, sagt er und reiÃt ihr den Aluminiumkoffer aus der Hand.
Y. T. läÃt niemals zu, daà einer das macht.
»Sie müssen dafür unterschreiben«, sagt sie. Aber sie weiÃ, es ist zu spät. Wenn man sie nicht dazu bringt, daà sie vorher unterschreiben, ist man angeschmiert. Man hat keine Macht mehr, kein Druckmittel. Man ist nur ein Balg auf einem Skateboard.
Darum läÃt sich Y. T. niemals Zustellungen von Leuten aus der Hand reiÃen. Aber der Typ ist Priester. Damit hat sie einfach nicht gerechnet. Er hat ihr den Koffer aus der Hand gerissen â und jetzt läuft er damit in sein Arbeitszimmer.
»Ich kann dafür unterschreiben«, sagt das Mädchen. Sie sieht ängstlich aus. Mehr noch, sie sieht krank aus.
»Er muà persönlich unterschreiben«, sagt Y.T. »Reverend Dale T. Thorpe.«
Jetzt ist sie nicht mehr schockiert und wird allmählich stinksauer. Daher folgt sie ihm einfach in sein Arbeitszimmer.
»Du kannst da nicht rein«, sagt das Mädchen, aber sie sagt es verträumt, traurig, als hätte sie die ganze Sache schon halb vergessen. Y. T. macht die Tür auf.
Reverend Dale T. Thorpe sitzt an seinem Schreibtisch. Der Aluminiumkoffer steht offen vor ihm. Er ist mit derselben komplizierten Anordnung gefüllt, die sie gestern nacht schon gesehen hat, nach der Sache mit Raven. Reverend Dale T. Thorpe scheint mit dem Hals an dem Gerät festgebunden zu sein.
Nein, in Wirklichkeit trägt er etwas an einer Schnur um den Hals. Er trägt es versteckt, so wie Y. T. Onkel Enzos Hundemarken. Aber jetzt
Weitere Kostenlose Bücher