Snow Crash
Amerika, die im überraschendsten und schrecklichsten Land der Welt leben, finden Trost in diesem Motto. Folgt man dem Loglo nach auÃerhalb, wo das Wachstum in den Tälern und Canyons stattfindet, findet man das Land der Flüchtlinge. Sie sind aus dem wahren Amerika geflohen, dem Amerika von Atombomben, Skalpieren, Hip-Hop, Chaostheorie, Ãberschuhen aus Beton, Schlangenbeschwörern, Massenmördern,
Weltraumspaziergängen, Autoschaltern, Cruise Missiles, Shermanâs March, Motorradbanden und Bungeejumping. Sie parken ihre Bimbo-Boxen parallel in identischen, computerentworfenen BurbklavenstraÃen und verkriechen sich in symmetrischen ScheiÃhäusern mit Vinylböden und schiefen Holzbalken ohne Bürgersteige, riesigen Farmhäusern drauÃen in der Wildnis des Loglos, ein kulturelles Medium für eine Medium-Kultur.
Die einzigen, die in den Städten geblieben sind, sind die Stra Ãenmenschen, die sich von Abfall ernähren; Einwanderer, die der Zusammenbruch der asiatischen Mächte wie Granatsplitter zerstreut hat; und die Technomedia-Priesterschaft von Mr. Lees GroÃ-Hongkong. Kluge junge Leute wie Da5id und Hiro, die das Risiko auf sich nehmen, in der Stadt zu leben, weil sie Stimulation mögen und wissen, wie man damit umgeht.
25
Y. T. kann nicht sagen, wo sie sind. Fest steht, sie stecken im Verkehr fest. Nicht, daà das vorhersehbar gewesen wäre, oder so. »Y. T. muà jetzt los«, verkündet sie.
Einen Augenblick keine Reaktion. Dann lehnt sich der Hakkertyp auf dem Stuhl zurück, sieht durch die Brille heraus, achtet nicht auf den 3D-Compudisplay, sondern betrachtet die Wand. »Okay«, sagt er.
Der Mann mit dem Glasauge springt schnell wie ein Mungo hinzu, reiÃt den Aluminiumkoffer aus dem Metallzylinder und wirft ihn Y. T. zu. Derweil öffnet einer der herumlungernden Mafia-Typen die Hecktür und ermöglicht ihnen allen einen hübschen Ausblick auf den Verkehrsstau auf dem Boulevard.
»Noch eines«, sagt der Mann mit dem Glasauge und steckt einen Umschlag in eine von Y. T.s zahlreichen Taschen.
»Was ist das?« fragt Y.T.
Er hält abwehrend die Hand hoch. »Keine Bange, nur eine Kleinigkeit. Und jetzt mach dich auf den Weg.«
Er gibt dem Typen, der ihre Planke hält, ein Zeichen. Der Typ entpuppt sich als einigermaÃen hip, weil er die Planke einfach wirft. Sie landet in einem schiefen Winkel zwischen ihnen auf dem Boden. Aber die Speichen haben den Boden längst kommen gesehen, sämtliche Winkel berechnet und sich ausgedehnt und gespannt wie die Beine und FüÃe eines Basketballspielers, der nach einem Monstersprung wieder auf dem Boden aufsetzt. Die Planke landet auf den FüÃen, steuert hierhin und dorthin, bis sie das Gleichgewicht wiederhat, dann steuert sie sich direkt zu Y. T. und hält dort.
Sie stellt sich darauf, kickt ein paarmal, fliegt zur Tür hinaus und auf die Haube eines Pontiac, der viel zu dicht aufgefahren ist. Seine Windschutzscheibe bietet eine Eins-A-Fläche, um Schwung zu holen, und als sie auf dem Asphalt aufsetzt, hat sie ihre Fahrtrichtung sauber umgekehrt. Der Besitzer des Pontiac hupt erbost, aber er kann sie unmöglich verfolgen, weil der Verkehr völlig zum Stillstand gekommen ist. Y. T. ist meilenweit das einzige, das sich tatsächlich bewegen kann. Aber genau das ist ja das Wesentliche an einem Kurier.
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Pearly Gates Nr. 1106 von Reverend Wayne ist ziemlich groÃ. Die niedere Seriennummer deutet auf ein hohes Alter hin. Sie wurde vor langer Zeit erbaut, als Land billig und Grundstücke groà waren. Der Parkplatz ist halb voll. Normalerweise sieht man bei Reverend Waynes Franchises nur schrottreife alte Rostlauben mit krakeligen spanischen Ausdrücken, die mit Nagellack auf die HeckstoÃstangen gekritzelt wurden â die Fahrzeuge von ZentroAmerikanischen Evangelisten, die nach Norden gekommen sind, um anständige Jobs zu bekommen und dem unerbittlichen katholischen Stil ihrer Heimatländer zu entfliehen. Auf diesem Parkplatz stehen aber auch eine Menge ganz normaler Bimbo-Boxen mit Nummernschildern sämtlicher Burbklaven.
Auf diesem Abschnitt des Boulevards flieÃt der Verkehr etwas schneller, daher kommt Y. T. mit ziemlich gutem Schwung auf den Parkplatz und umkreist das Franchise zweimal, um abzubremsen.
Einem ebenen Parkplatz kann man nur schwer widerstehen, wenn man ausreichend Geschwindigkeit draufhat, und wenn man es
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