Snow Crash
nördliche Israel â erobert und eine Völkerwanderung der Hebräer südwärts nach Jerusalem ausgelöst. Jerusalem erlebte eine gewaltige Ausdehnung, und die Hebräer muÃten Gebiete im Westen, Osten und Süden erobern. Es war eine Zeit des verschärften Nationalismus und patriotischen Wahns. Die deuteronomische Schule nahm diese Tendenzen in die Schrift auf, indem sie die alten Geschichten umschrieb und neu organisierte.«
»Inwiefern umschrieben?«
»Moses und die anderen glaubten, daà der Jordan die Grenze von Israel bildete, aber die Deuteronomisten waren der Ãberzeugung, daà auch Transjordanien zu Israel gehörte, womit sie ihre Aggressionen im Osten rechtfertigten. Es gibt noch viele Beispiele: das prädeuteronomische Gesetz sagte nichts über einen Monarchen. Das Gesetz reflektierte ein monarchistisches System. Das prädeuteronomistische Gesetz beschäftigte sich überwiegend mit heiligen Fragen, während das Gesetz der Deuteronomisten sein Hauptaugenmerk auf die Ausbildung des Königs und seines Volkes richtet- auf weltliche Dinge, mit anderen Worten. Die Deuteronomisten bestanden darauf, die Religion im Tempel zu Jerusalem zu zentralisieren und zerstörten die umliegenden Zentren des Kults. Und es gibt noch eine Eigenheit, die Lagos von Bedeutung schien.«
»Und das wäre?«
»Deuteronomium ist das einzige Buch des Pentateuch, das von einer schriftlichen Thora als Ausdruck des göttlichen Willens spricht: >Und wenn er nun sitzen wird auf dem Thron seines Königreichs, soll er eine Abschrift dieses Gesetzes, wie es den levitischen Priestern vorliegt, in ein Buch schreiben lassen. Das soll bei ihm sein, und er soll darin lesen sein Leben lang, damit er den HERRN, seinen Gott, fürchten lernt, daà er halte alle Worte dieses Gesetzes und diese Rechte und danach tue. Sein Herz soll sich nicht erheben über seine Brüder und soll nicht weichen von dem Gebot weder zur Rechten noch zur Linken, auf daà er verlängere die Tage seiner Herrschaft, er und seine Söhne, in Israel.< Fünftes Buch Mose 17:18-20.«
»Die Deuteronomisten haben also den Religionskodex festgelegt. Sie zu einer organisierten, selbstpropagierenden Einheit gemacht«, sagt Hiro. »Ich will nicht von einem Virus sprechen. Aber nach allem, was Sie mir gerade gesagt haben, ist die Thora wie ein Virus. Sie benutzt den menschlichen Verstand als Wirt. Der Wirt â der Mensch â macht Kopien davon. Und mehr Menschen kommen in die Synagoge und lesen es.«
»Ich kann eine Analogie nicht verarbeiten. Aber was Sie sagen ist insoweit korrekt: Nachdem die Deuteronomisten den Judaismus reformiert hatten, brachten die Juden keine Opfer mehr dar, sondern gingen in die Synagoge und lasen das Buch. Wären die Deuteronomisten nicht gewesen, würden die Monotheisten dieser Welt immer noch Tiere opfern und ihren Glauben durch mündliche Ãberlieferung verbreiten.«
»Sich mitteilen«, sagt Hiro. »Als Sie mit Lagos über das alles gesprochen haben, hat er da jemals etwas darüber gesagt, daà die Bibel ein Virus ist?«
»Er sagte, sie habe einiges mit einem Virus gemein, wäre aber anders. Er betrachtete sie als gutartigen Virus. Wie solche, die für Impfstoffe verwendet werden. Den Ascheravirus betrachtete er als bösartiger, da er durch den Austausch von Körperflüssigkeit verbreitet werden konnte.«
»Demnach schützte die strenge, auf dem Buch basierende
Religion der Deuteronomisten die Hebräer vor dem Ascheravirus.«
»In Verbindung mit strenger Monogamie und anderen koscheren Praktiken, ja«, sagt der Bibliothekar. »Die vorhergehenden Religionen von Sumer bis zum Deuteronomium sind als prärational bekannt. Der Judaismus war die erste rationale Religion. Und als solche war sie, nach Lagosâ Meinung, weitaus weniger anfällig gegen Virenbefall, da sie auf starren, schriftlich festgehaltenen Aufzeichnungen basierte. Das war der Grund für die Verehrung der Thora und die groÃe Sorgfalt, wenn neue Kopien hergestellt wurden â Informationshygiene.«
»Und wo leben wir heutzutage? In der postrationalen Ãra?«
»Juanita hat Bemerkungen in dieser Richtung gemacht.«
»Das kann ich mir denken. Aber allmählich verstehe ich sie besser, unsere Juanita.«
»Oh.«
»Vorher habe ich sie überhaupt nicht verstanden.«
»Ich verstehe.«
»Ich
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