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Snuff: Roman (German Edition)

Snuff: Roman (German Edition)

Titel: Snuff: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Gilbert, der männliche Topstar Hollywoods, flötete seine Texte wie ein Kanarienvogel. Mary Pickford, die Mädchen und junge Frauen spielte, bellte mit der Bassstimme eines Lastwagenfahrers. Vilma Bánky mit ihrem ungarischen Akzent war praktisch kaum zu verstehen. Emil Jannings mit seinem deutschen Akzent. Karl Dane mit seinem dänischen Akzent.
    Draußen, unter den tiefhängenden Wolken, war es finster. Die Markise über dem Fenster war auch nicht hilfreich. Ms. Wright konzentrierte sich weiter auf ihr Spiegelbild, Augen und Lippen von der Innenseite des Schaufensters reflektiert. Sie sagte: »John Gilbert hat nie mehr einen Film gemacht. Hat sich mit siebenunddreißig zu Tode getrunken. Karl Dane hat sich erschossen.«
    Alle diese Stars, die besten Filmschauspieler ihrer Zeit, waren mit einem Schlag verschwunden.
    Tatsache.
    Was der Tonfilm aus diesen Karrieren gemacht habe, sagte Ms. Wright, genau das mache HD jetzt mit der heutigen Schauspielergeneration. Die neue Technik liefere zu viele Informationen. Eine Überdosis Wahrheit. Bühnenschminke sehe nicht mehr wie Haut aus. Lippenstift sehe wie rotes Schmierfett aus. Grundierung wie Verputz. Rasurbrand und eingewachsene Haare könnten genauso gut auch Lepra sein.
    Wie bei den Actionstars, wenn herauskommt, dass sie schwul sind... oder bei den Stummfilmstars, deren Stimmen sich so schrecklich anhörten – das Publikum verlangt nur ein begrenztes Maß an Ehrlichkeit.
    Tatsache.
    Im vergangenen Jahr bekam Ms. Wright nur ein einziges Drehbuch angeboten. Ein Billigmusical, ein Fetischfilm nach dem Klassiker mit Judy Garland und Vincent Minnelli über eine unschuldige junge Frau, die sich beim Besuch der Weltausstellung in einen hübschen jungen Sadisten verliebt. Titel: Beat me in St. Louis.
    Sie lernte die Songs und alles. Nahm Tanzunterricht. Aber dann hat niemand mehr bei ihr angefragt.
    Ms. Wright schaut aus dem Fenster, schließt die Augen lange genug, dass sie etwas singen kann, ihre Stimme beinahe ein Flüstern, beinahe ein Schlaflied. Sie neigt das Gesicht ein wenig zur Seite, als wolle sie das Scheinwerferlicht einfangen, und singt: »... I got bang, bang, banged on the trolley...«
    Ihre Augen schälen sich auf, und ihre Stimme verklingt. Ms. Wright verzieht keine Miene. Lässt sich zur Seite sinken, greift in ihre Handtasche auf dem Boden. Nimmt eine schwarze Sonnenbrille heraus. Klappt sie auf und schiebt sie sich auf die Nase.
    Immer noch ohne Blick für irgendetwas vor dem Fenster der Kaffeebar, weder für die Straße voller Autos noch für den Bürgersteig voller Fußgänger. Eine endlose Prozession von Statisten. Namenlose Gestalten, die Schirme aufspannen oder sich Zeitungen zum Schutz ihrer Haare über den Kopf halten. Ohne irgendetwas davon zu sehen, sagt Ms. Wright: »Also, was hast du mir vorzuschlagen?«
    Ich lege los. Dass ich mit ihrem Agenten telefoniert habe. Mit allen Produktionsgesellschaften, für die sie in den vergangenen fünf Jahren gearbeitet hat. Briefe geschrieben. Dass ich kein Stalker bin. Kein Wichser.
    Ich fragte, ob sie wisse, dass Adolf Hitler die aufblasbare Sexpuppe erfunden habe?
    Und Ms. Wrights schwarze Sonnenbrille wandte sich mir zu und sah mich an.
    Im Ersten Weltkrieg, erzählte ich ihr, habe Hitler als Melder zwischen den deutschen Gräben gedient und mit Entsetzen gesehen, dass seine Kameraden französische Bordelle besuchten. Um das arische Blut rein zu halten und etwas gegen die Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten zu tun, ordnete er später die Herstellung einer aufblasbaren Puppe an, die die Nazisoldaten in die Schlacht mitnehmen konnten. Hitler selbst entwarf die »Gummidirnen« mit blonden Haaren und großen Brüsten. Der alliierte Brandbombenangriff auf Dresden zerstörte die Fabrik, bevor die Puppen weitere Verbreitung fanden.
    Tatsache.
    Ms. Wrights gezupfte Augenbrauen wölben sich über den Rand ihrer dunklen Sonnenbrille. Die schwarzen Linsen reflektieren mich. Reflektieren den mit rotem Lippenstift beschmierten Papprand ihres Kaffeebechers. Ihre Lippen sagen: »Weißt du, dass ich Mutter bin?«
    Ihre Sonnenbrille reflektiert mich in einem Tweedkostüm, wie meine Finger den Schnappverschluss aufspringen lassen und die Aktentasche aufklappen, wie ich mich nach vorn beuge, meine Haare zu einem Nackenknoten verschlungen.
    Ich hatte vor, ihr in diesem Gespräch ein Projekt vorzuschlagen, bei dem es um diese erste Sexpuppe ging. Aus Sicht der Nazis. Aus historischer Sicht. Ich wollte mit ihr eine

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