Snuff: Roman (German Edition)
Ms.Wright blickt in ein Ringbuch, das ich ihr hinhalte. Auf den in durchsichtigen Plastikhüllen steckenden Bögen sind jeweils sechs Polaroidfotos aufgeklebt. Jedes Bild zeigt Kopf und Schultern eines Mannes und ist am unteren Rand mit einer schwarzen Nummer versehen. Die gut sechshundert Samenschleudern, die sich für unser Projekt verpflichtet haben. Diese Pythonwürger und Spermaschlenzer. Die Saftpressen, die den Hepatitistest bestanden haben. Ich halte das Ringbuch mit einer Hand am oberen Rand und drücke es an meine Hüfte. Mit der anderen Hand blättere ich die Seiten um, einen Stift in den Fingern.
Bei jedem Schritt schrammt das Ringbuch über meinen Nabel. Das Gewicht der gut hundert Seiten.
Die Beule in Ms. Wrights Shorts hält kurz an, aufgehalten von dem Gummiband am Ende des Hosenbeins. Spandex und Gummiband wölben und blähen sich und würgen ein nass glänzendes rosa Bällchen aus, das eins, zwei, drei dunkle feuchte Flecken auf dem grauen Beton hinterlässt.
Ms. Wright sagt: »Scheiße.« Flüstert das Wort und schlägt sich an das Bein, wo der Ball rausgerutscht ist.
Der rosa Ball macht vier, fünf, sechs Tupfer auf dem Bürgersteig hinter uns. Sieben, acht, neun nasse Flecken, und ein Hund springt herbei und schnappt sich den Ball mit den Zähnen. Dieser schwarze Hund – glatt wie ein Aal auf dünnen Beinen, klein wie eine Katze mit spitzen Ohren – umschließt mit seinem schwarzen Zahnfleisch den rosa Ball und rennt damit über den Rasen des Parks davon.
Wir bleiben stehen. Ms. Wright sieht dem im Weglaufen schrumpfenden Hund nach und sagt: »Kennst du diesen Film, Der Zauberer von Oz ?« Sie sagt: »Der Hund, der Toto spielte, war ein Cairn-Terrier mit Namen Terry.« Sie sieht ihren rosa Ball in der Ferne verschwinden und sagt: »In der Szene, wo die Wächter der Hexe Toto aus dem Schloss jagen, in der letzten Einstellung, auf der Zugbrücke, verliert einer der Wächter das Gleichgewicht und landet voll auf dem Terry. Hat ihm ein Hinterbein gebrochen, dem armen Hund.«
Der Hund konnte wochenlang nicht drehen. Tatsache.
Jetzt joggt sie wieder, ihre Knie pumpen, ihre Hände schlackern, und Ms. Wright erzählt weiter. In diesem Film, Der Zauberer von Oz , ist der Schauspieler Buddy Ebsen beinahe an einer allergischen Reaktion auf Aluminiumstaub gestorben, der zu seinem Kostüm als der Blechmann gehörte. Die Schauspielerin Margaret Hamilton sollte das Land der Munchkins in einem Feuerball verlassen, aber dabei entzündete sich das in ihrem Make-up enthaltene grüne Kupferoxyd, so dass ihr Gesicht und ihre rechte Hand plötzlich in Flammen standen.
Buddy Ebsen verlor seine Rolle an Jack Haley. Margaret Hamilton musste sechs Wochen lang mit Butesin eingeschmiert und in Gaze umwickelt das Bett hüten.
Ms. Wright wirft einen Blick auf die sechs Polaroids, die ich ihr hinhalte. Die nächsten sechs Stecher. Sie joggt und sagt: »Schauspieler haben weit Schlimmeres erlitten für ihre Kunst.«
»Der rosa Ball«, sagt sie, »war aus Silikon. Gewicht einundsiebzig Gramm. Durchmesser zwanzig Millimeter. Zum Trainieren des Beckenbodens. Kegelgymnastik. Man schiebt sich den Ball rein und spannt den Beckenboden an. Früher in Asien haben sich Frauen zwei mit Quecksilber gefüllte Metallkugeln reingeschoben. Das herumschwappende Quecksilber hielt die Kugeln den ganzen Tag lang in Bewegung, was die Frauen stimulierte und immer schärfer machte, während gleichzeitig allein durch das Gewicht der Kugeln ihre Scheidenmuskulatur gestärkt wurde. Wenn ihre Männer dann abends nach Hause kamen, waren die Frauen so geil, dass sie schon an der Haustür über sie herfielen.«
Tatsache.
»Nur schade, dass die Kugeln oft undicht waren und das Quecksilber rauslief«, sagt Ms. Wright. »Davon wurden sie verrückt. Und starben irgendwann daran.
Heutzutage nehmen die meisten Asiatinnen Kugeln aus Jade. Und je stärker man wird, desto mehr Kugeln kann man in sich rumtragen.«
Jetzt beim Joggen schwillt der Schritt ihrer Shorts an. Das Spandex spannt sich, seine Farbe geht von Schwarz in Grau über. Noch ein Schritt, und etwas ploppt aus dem elastischen Hosenbein. Springt auf den Bürgersteig, prallt hoch und hüpft und holpert in der Gosse weiter. Rund wie ein Tennisball, weiß, aber glatt und geädert wie Marmor oder Onyx.
»Den Stein brauche ich für meine Kegelgymnastik«, sagt Ms. Wright, bückt sich und hebt ihn mit beiden Händen wieder auf. Gut zwei Pfund. Sie reibt den Stein an einem Hosenbein, wischt
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