Snuff: Roman (German Edition)
da«, sage ich, immer noch kauend, den bitteren Geschmack im Mund, der Spermien töten soll, der Leben verhindern soll, und zeige einfach auf eine Pille. Irgendeine. Mir doch egal.
24
Sheila
Ich beuge mich über Ms. Wright und greife mit den spitzen Enden einer glänzenden Pinzette ein einzelnes Augenbrauenhaar. Beiße mir auf die Zunge. Schließe die Augen, als ich das Haar ausreiße. Und greife mit der Pinzette das nächste verirrte Härchen.
Ms. Wright zuckt mit keiner Wimper. Sie drückt sich nicht in ihren Stuhl, um mir zu entkommen. Erzählt von einem gewissen Rudolph Valentino, als der an seinem Blinddarm gestorben ist, sind in Japan zwei Frauen in einen aktiven Vulkan gesprungen. Dieser Valentino-Wichser war ein Stummfilmstar, und als er 1926 starb, vergiftete sich in London ein Mädchen, umgeben von ihrer Sammlung mit Fotos von ihm. Ein Liftboy im Pariser Ritz Hotel vergiftete sich auf einem Bett, auf dem eine ähnliche Sammlung ausgebreitet war. In New York schnitten sich zwei Frauen vor dem Polyclinic Hospital, wo Valentino gestorben war, die Pulsadern auf. Bei seiner Beerdigung gerieten hunderttausend Besucher in Aufruhr, drückten die Fenster der Leichenhalle ein und zertrampelten die Kränze und Blumengebinde.
Ein anderer Wichser namens Rudy Vallee nahm einen Song über diesen Valentino-Wichser auf. Ein Hit. »There’s a New Star in Heaven« hieß die Schnulze.
Tatsache.
Als ihre Augenbrauen gleichmäßig aussehen, gebe ich Feuchtigkeitscreme auf ein Schwämmchen und verteile sie auf ihrer Stirn. Ich betupfe ihre Wangen und die Haut um ihre Augen.
Unser Heer von Flachwichsern, unsere sechshundert Sackpfeifer, die sind alle noch zu Hause und schlafen, und erst in einer Stunde werden ihre Wecker losgehen. Das Heute ist noch dunkel, eigentlich ist es noch kaum heute. Die Scheinwerfer sind schon aufgebaut. Das Filmmaterial ist bereit. Die Kameras auch. Die geliehenen Naziuniformen hängen noch in ihren Plastikhüllen. Keiner ist hier, außer Ms. Wright und mir.
Die Augen geschlossen, während über ihre Haut kleine Wellen gehen von meinem Schwamm und der Creme, erklärt Ms. Wright, dass die Bestatter Gesicht und Frisur einer Leiche vor allem auf der rechten Seite herrichten, weil das die Seite ist, die man beim Defilee am offenen Sarg zu sehen bekommt. Der Bestatter wäscht die Leiche von Hand. Tränkt Wattebäusche mit Insektengift und stopft sie in die Nasenlöcher, damit sich im Schädel keine Viecher einnisten. Setzt mit den Fingern ein Ventil in den After, um aufgestautes Gas abzulassen. Schiebt Plastikdinger, die wie zerschnittene Tischtennisbälle aussehen, unter die Augenlider, damit sie geschlossen bleiben. Pinselt geschmolzenes Wachs auf die Lippen, damit sie sich nicht schälen.
Und ich trage die Grundierung auf. Einen Hauch von Sonnenbräune um ihren Mund. Kaschiere die Schatten an ihrem Kinn.
Ms. Wright sitzt in dem weißen Schminksessel, die Papierserviette um den Hals, und erzählt von einem Lümmelzupfer namens Jeff Chandler, der 1961 auf den Philippinen einen Film drehte, Merrill’s Mauraders , und sich dabei einen Bandscheibenvorfall holte. Chandler, dieser Palmenwedler, war ein bekannter Schauspieler, ein Rivale von Rock Hudson und Tony Curtis. Hatte für Decca ein Hit-Album und mehrere Singles aufgenommen. Kam für eine schnelle Bandscheibenoperation unters Messer. Die Ärzte erwischten eine Arterie. Pumpten achtundzwanzig Liter Blut in ihn rein, aber der ist trotzdem bei der Arbeit an diesem Film gestorben.
Die Augen geschlossen, mit flatternden Lidern, die Brauen hochgezogen, damit ich Lidschatten auftragen kann, erzählt Ms. Wright von dem Lattendrechsler Tyrone Power, einem Hollywoodstar, der mitten bei einem Schwertkampf für den Film Salomon und die Königin von Saba tot umkippte. Herzinfarkt.
Ms. Wright erzählt, dass Hugh Hefner, als Marilyn Monroe sich umgebracht hatte, die Mausoleumsnische im Westwood Village Memorial Park direkt neben ihrer erwarb, weil er die Ewigkeit damit verbringen wollte, neben der schönsten Frau aller Zeiten zu liegen.
Ms. Wright erzählt, der Mastpolierer Eric Fleming sei bei Aufnahmen für seine Fernsehserie High Jungle mit dem Kanu auf dem Amazonas gekentert. Die Strömung habe ihn mitgerissen, und dann hätten ihn die Piranhas gefressen. Vor laufenden Kameras.
Tatsache.
Während ich den Eyeliner auftrage, erzählt mir Ms. Wright, dass man dem Saftpresser Frank Sinatra eine Flasche Jack Daniel’s, ein Päckchen Camel, ein
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